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Tricksen statt Treten

Siegreiche Gastgeber und wadlbeißende Münchner beim Hallen-Masters in der Dortmunder Westfalenhalle  ■  PRESS-SCHLAG

In Dortmund wurde es erst so richtig urgemütlich, als das Masters-Marathon im Ziel war. Zunächst versetzte der local hero auf Acrylglasfaser die Bayer AG aus Uerdingen im Finale mit 5:3, dann begab sich Borussencoach Horschtle Köppel zum Pressegespräch. Noch vor Erreichen des eckigen Tisches sichtete der Schwabe einen Dortmunder Altjournalisten. „Jetzt dürfen Sie schreiben, daß ich auch für Erfolge verantwortlich bin“, ranzte der Hallenmeistertrainer dem immer noch spitz schreibenden Pensionär frustig vor den Aktenkoffer. Ein Ausputzer alter Schule sprang dem Gescholtenen bei: „Der hat schon geschrieben, als Sie noch in die Hose geschissen haben.“

Echte Siegerstimmung in Dortmund, die Zwischentöne klangen wie eine musikalische Metapher zur Komposition des Gesamtkunstwerkes: Fußball in der Halle, da ist Feuer unterm Dach. An zwei Tagen sahen 17.000 Besucher bei Preisen bis zu fünfzig Mark in 28 Spielen 164 Tore. Alle vier Minuten und neun Sekunden ein Treffer. Selten mehr, häufiger weniger hübsch untergebracht in die internationale Holznorm von zwei mal fünf Metern. Dabei taten sich die zahmen Mannen von Nürnbergs Tiger Hermann Gerland mit der Minimierung von Tor, Spielfleck und fünf Feldakteuren besonders schwer. In 72 Minuten traf die Reserve aus der Noris ganze zwei Mal.

In südlicher Solidarität packten sie mit dem FC Bayern nach der Vorrunde die Turnschuhe ein. Der Rekordmeister stand beim Hallen-Masters draußen vor der Tür, zwei Tore fehlten zum Halbfinale. Doch die sportliche Ursachenforschung für das Indoor-Debakel geriet zur interesselosen Nullnummer. Denn die Zwischentöne zu Stand und Stellenwert des Hallenfußballs kamen durchaus via München, hatten aber mit Sport am wenigsten am Hut. Uli Hoeneß, Bayerns Manager mit manchmal markigen Zwischenrufen im Ledergeschäft, posaunte am Samstag angesichts einer halbvollen Halle: „Das Masters muß im nächsten Jahr nach München. Ich garantiere ein ausverkauftes Haus.“

Ein Affront gegen den Veranstalter (DFB) und Ausrichter (Dortmund), die mit der Vergabe in die Bierstadt das marode Unternehmen Hallen-Masters jetzt im zweiten Jahr „zum Leben erweckten“, wie BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum anwaltlich versicherte? Zumal DFB-Schatzmeister Egidius Braun („Ich bin fasziniert, bewegt und mitgerissen von diesem Turnier“) glaubt, „daß wir uns hier im nächsten Jahr wiedersehen“. Dann aber muß die örtliche Kohle stimmen, wie der Frankfurter Organisationsleiter Wilfried Straub andeutete. „Es ist nicht Art des Hauses, über Geld zu sprechen“, mochte der oberste DFB-Beamte nicht über die Überschüsse des Dortmunder Torsegens parlieren. Und zur Vergabe konnte er mitteilen, daß dies halt „demokratische Prozesse sind“.

Bei dessen Verlauf wird der Geldadel aus München am Tisch sitzen. Das Reizwort heißt „Titel-Sponsoring“, neue Zwischentöne sind nicht ausgeschlossen. Denn die als „ARD -Masters“ angekündigte Veranstaltung von Dortmund verleiht dem „Ersten“ („immer in der ersten Reihe“) nur die Senderechte für etwa 300.000 Mark. Über mehr wurde man sich nicht einig. Die Verhandlungen über die Titelrechte dauerten wohl noch über die Siegerehrung hinaus an, als 'ARD' -Sportkoordinator Fritz Klein den Pokal überreichen durfte. So wird eben in der Bilanz ein hübsches Sümmchen fehlen. Vielleicht wird das beim nächsten Mal in München beim „Commodore-Masters“ anders.

Bis dahin wird die sportliche Problematik des Hallenfußballs nicht am Tisch vertreten sein. Der Stellenwert des Spektakels wird allein bei der Rendite angesiedelt. Der Dortmunder Bruttoerlös von 1,3 Millionen ist für Uli Hoeneß allemal akkumulationsfähig. Ein fragwürdiger Qualifikationsmodus, das sportmedizinisch ernste Postulat nach ausreichender körperlicher Rehabilitation und ein festes Werk an Regeln sind nicht im Sinne der herrschenden Spieltheorie. Ein Startgeld von 50.000 Mark für die acht Teams, dazu ein Topf von 160.000 Mark von Platz eins bis vier sorgen für praktische Lösungen. Probleme gab es nur für Frank Mill und Pierre Littbarski. Die drei Mille für den besten Torschützen mochten sich beide noch teilen, aber die dazu passende Trophäe wollten Fränkie und Litti nicht zersägen.

Bezeichnend auch, daß die siegreichen Dortmunder Borussen statt der geforderten Ehrenrunde in die Kabinen schlichen. Dabei waren sich unisono alle einig: „Der Hallenfußball lebt.“ Und tatsächlich blieben bis auf einen ausgeschlagenen Zahn des Uerdinger Dänen Brian Laudrup alle ansehnlich gesund.

Nur unser aller Hans-Hubert Vogts, nach der WM Lehrbeauftragter als oberster Bundeswadenbeißer, mochte keine Freilufterkenntnisse in der Westfalenhalle sammeln. Berti flog mit Anstoß am Samstag an die Copacabana. Schließlich wird am Strand in Rio das Masters-Motto hoch technisch eingelöst: „Tricksen statt treten“.

Ernst Thoman

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