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Türkische Initiative gegen das Ausländergesetz

Überparteilicher Zusammenschluß türkischer Organisationen gegen das neue Ausländergesetz der Bundesregierung / Bürgerinitiative „Vatandas Girisimi“ will alle 1,5 Millionen TürkInnen vertreten / Streitigkeiten zwischen den türkischen Organisationen wurden überwunden  ■  Aus Köln Ekkehart Schmidt

In Köln fand am Samstag abend das erste bundesweite Treffen der am 6.Januar gegründeten Bürgerinitiative „Vatandas Girisimi“ statt, ein überparteilicher Zusammenschluß türkischer Landsleute in der Bundesrepublik. Das Ziel, so wurde immer wieder betont, sei allein, den von Innenminister Schäuble vorgelegten Entwurf zur Änderung des Ausländergesetzes zu Fall zu bringen.

Ein großer Teil der Türken, „die jetzt irgendwo in einem Teehaus sitzen“, ahne nicht, was die neuen Regelungen für sie bedeuten, so Hasdan Özcan. „Den Deutschen gegenüber haben wir immer Dankbarkeit empfunden, wir waren demütig und still, haben selten unsere Stimme erhoben“, betonte Pressesprecher Salih Yigit. „Doch jetzt muß etwas geschehen.“ Ali Yüksel warf ein türkisches Sprichwort in die vierstündige Debatte: „Ohne einen (triftigen) Grund fliegt ein Vogel nicht.“ Bislang hätten die einzelnen türkischen Organisationen vorrangig gegeneinander gearbeitet, nicht aber für gemeinsame Interessen. Man habe dies bislang deutschen Gewerkschaften und Parteien überlassen. Ein Münchner beschwört den Fall der Mauer in der DDR: „Auch wir müssen lernen, gemeinsam das Wort zu ergreifen, nicht mehr länger nur zuzuschauen.“ Jetzt habe der Vogel einen Grund und werde fliegen.

Die wichtigste Startschwierigkeit jedoch, so wurde vor rund 200 türkischen Zuhörern in der Aula des Hansagymnasiums am Eigenstein immer wieder betont, ist das Wort „gemeinsam“. Deshalb wurde diese übergreifende Initiative gegründet, die für die etwa 1,5 Millionen aus der Türkei stammenden Bürger in der BRD repräsentativ sein soll. Mit „Vantandas Girisimi“ sei es das erste Mal gelungen, organisierte und nichtorganisierte Menschen zu vereinen, vor allem aber die Streitigkeiten zwischen Linken, Kemalisten, regierungstreuen und religiösen Gruppen zu überwinden - für dieses eine Ziel. Erstmalig berichtete auch das komplette Spektrum türkischer Zeitungen.

„Wir erheben gemeinsam unsere Stimme, obwohl wir nichts gemeinsames haben. Eine neue Gemeinschaft wird nicht entstehen, es gibt noch nicht einmal das Bemühen um einen Konsens, in den einzelnen Aktionen wird jeder seinen Weg gehen. Es geht jetzt nur darum, diesen Entwurf zu kippen“, betont Yigit, „das ist der einzige Konsens.“

Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn die türkischsprachige Minderheit sich entschieden dafür einsetzt. „Wir müssen zeigen, daß wir zusammen sind.“ Angesichts der neuen Grenzenlosigkeit fühle man sich ausgegrenzt, sagte ein Redner, und zeigt auf die hinter dem Podium hängende schwarz-rot-goldene Fahne neben dem roten Tuch mit Halbmond: „Die Deutschen haben für diese Fahne viel getan, sie haben Mauern eingerissen. Wir haben uns mit ihnen gefreut, aber jetzt wollen sie eine neue Mauer bauen.“ Weltweit erlebe man ein wachsendes Selbstbewußtsein von Minderheiten, in der BRD jedoch verstärkten sich nationalstaatliche Gedanken, und EG-weit drohe die Abschottung gerade gegen nicht-christliche Kulturen.

„Wir haben unsere Kräfte eingesetzt, Deutschland zu bauen jetzt, wo der Bau fertig ist, will man uns noch immer nicht unsere Rechte geben und uns sogar rauswerfen. Dreißig Jahre habe man treu gedient, nun möchte man einen einzigen Tag die Arbeit verweigern.

Geplant sind die unterschiedlichsten Aktionen: Im Februar sollen in Großstädten wie Köln und Berlin, in denen sehr viele türkische Läden existieren, diese für einen Tag geschlossen werden; Anfang März ist in Schulen mit hohem Anteil türkischer Schüler ein eintägiger Schulboykott geplant; weiter in Erwägung gezogen wird ein zweitägiger Hungerstreik in mindestens 100 Ortschaften, zum größten Teil in Moscheen. Schließlich ist vor der letzten Lesung des Entwurfs, Anfang April im Bundestag, eine Großkundgebung in Bonn geplant, untere anderem mit einer Menschenkette um Schäubles Amtssitz.

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