: Alles im Saale. Nicht alles vorbei.
Am Sonntag, 28.1., trafen sich die Theaterschaffenden der DDR zu einem außerordentlichen Kongreß in der Ost-Berliner Volksbühne (in der westberliner Volksbühne finden derzeit andere Treffen mit ähnlichem Tenor statt), um über die Auflösung des Verbandes zu beschließen. Die Begründungen für den Antrag der Auflösung waren unterschiedlicher Natur: zum einen habe die Öffnung der Grenzen viele Bühnen wegen der Ausreise von Ensemblemitgliedern an die Grenze ihrer Spielfähigkeit gebracht. Dann sei die Situation vieler Theaterleitungen instabil, das Gefühl sozialer Unsicherheit der Bühnenmitglieder zunehmend. Und schließlich spiegele der bisherige Verband doch nur „überholte Strukturen“ wider. In seinem Arbeitsbericht rechnete der erste Sekretär dees Verbandes, Klaus Pfützner, mit 23 Jahren obrigkeitshöriger Verbandsarbeit ab, die vor allem zur Durchsetzung der SED -Kulturpolitik benutzt worden sei: „Das Theater der DDR wurde großzügig gefördert und stranguliert, es war von kritischem Zorn und langweilender Sanftmütigkeit geprägt“, sagte der offenbar dialektisch geschulte Redner. Der Dramatiker Werner Buhss forderte „Rechtsbeistand gegen Intendantenwillkür“ und fügte hinzu: „Den bisherigen Verband brauchen wir nicht.“ Schließlich hieß es, werde sich in der Kulturpolitik nach den Wahlen im Mai (deren Vorverlegung auf den März am selben Tag in einem anderen Saal beschlossen wurde) vieles von selbst erledigen, „wenn die DDR Länderstrukturen erhalte und die Kultusminister der Länder das Sagen haben werden“. Dagegen sprach sich der Potsdamer Intendant Gero Hammer für den Erhalt eines „wenn auch grundsätzlich erneuerten Verbandes“ aus.
Obwohl der Antrag auf Auflösung des Verbandes mit großem Beifall begrüßt worden war, hatten dieselben Delegierten (Gäste u.a. August Everding und Jürgen Schitthelm) ihn am Ende der Veranstaltung mehrheitlich abgelehnt. Stattdessen wurde eine posvisorische Leitung aus 35 Personen gewählt, das „die Neuformierung der Verbandsarbeit bis zum ordentlichen Kongreß koordinieren“ soll. Die Notwendigkeit gewerkschaftlichen Engagements der Theaterschaffenden wurde unterstrichen.
Quelle: dpa
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