: Der Emporkömmling aus der Landeshauptstadt
Der EC Hedos München strebt unverhohlen die Vormachtstellung im bayerischen Eishockey an / Im dritten Versuch soll der finstere Münchner Eishockeyhimmel endlich erleuchtet werden / Nach dem 10:6 gegen Frankfurt winken die Play-offs ■ Von Werner Steigemann
München (taz) - Es werden wohl noch einige Jahre ins Land ziehen, ehe der EC Hedos in die Fußstapfen des MTV 1879 München treten kann. Jener Verein holte als bisher einziger den Titel eines Deutschen Eishockeymeisters nach München, und das vor fast siebzig Jahren. Danach verfinsterte sich der Münchner Eishockeyhimmel über lange Jahrzehnte, weswegen die talentiertesten Spieler aus der Landeshauptstadt zum SC Riessersee auswanderten. Inzwischen dümpelt der am Ende der Zweitligatabelle vor sich hin, während sich der EC Hedos nach seinem überzeugenden Heimsieg gegen die Eintracht aus Frankfurt berechtigte Hoffnung auf die Teilnahme an der Play -off-Runde der Bundesliga macht. Es besteht trotz aller negativer Erfahrung die Chance, daß dem dritten Versuch einer Münchner Mannschaft, sich in der Bundesliga zu etablieren, Erfolg beschieden sein könnte.
Die Vereinsoberen des FC Bayern München versuchten Ende der 60er Jahre mit erheblichem finanziellen Aufwand und dem Trainer Dr. Janos Starsi, München zu einer Eishockeyhochburg zu machen. Weil das Geld beim FCB schon immer die Welt regierte, beschloß dessen damaliger Präsident Neudecker, die seiner Ansicht nach sinnlosen Subventionen, die der Eishockeyabteilung zukamen, einzustellen und stoppte somit das Bayern-Experiment. 1969 stieg der FCB aus dem Eishockeygeschäft aus.
Tiefes Gottvertrauen
Daraufhin gründeten einige Eishockeyverrückte den EHC 70, der nach zehn langen Jahren den Aufstieg in die Bundesliga schaffte. Dem bayerischen Menschen wird nachgesagt, daß er ein sehr tiefes Gottvertrauen besitzt. Der Herrgott wird's schon richten, dachten sich wohl die EHC-Funktionäre und investierten selbst ihr Privatvermögen in die Zukunft des Vereins. Weil aber der Herrgott die Seinigen manchmal vergißt, vor allem, wenn sie nicht mit dem Geld haushalten können, stieg der EHC nach einem Jahr Zugehörigkeit zum Eishockey-Oberhaus wieder ab und ging 1982 als Zweitligist mangels Sponsoren und Zuschauern in den Konkurs.
Allein die Jugendabteilung wollte das Eishockey in München nicht sterben lassen. Emsige Idealisten gründeten mit Hilfe Roland Hollys den EC Hedos, benannt nach der Firma des geldigen Wohltäters, der auch im Münchner Fußballeben von sich reden machte. Ein gestandener Verein sollte es werden, einer, der aus den finanziellen Debakeln seiner Vorgänger gelernt hatte. Bescheidenheit war angesagt und Bodenständigkeit, was bewirkte, daß selbst zu den Spielen in der Regionalliga bald mehr Zuschauer kamen als einst bei den beiden vorherigen Bundesligaversuchen. Einzig einen Luxus leistete man sich, den 150fachen CSSR-Nationalspieler Jiri Kochta, der als Spielertrainer maßgeblich den unaufhaltsamen „Durchmarsch“ des EC Hedos bis in die Oberliga ermöglichte.
Damit war die Beschaulichkeit aber auch schon vorbei. Ein weiterer Ausdruck der bayerischen Mentalität kam zum Vorschein: der Größenwahn. Plötzlich offerierte man den sogenannten Stars überzogene Gagen und machte mit absurden Spielertransfers von sich reden. Trotz eines Zuschauerdurchschnitts von 5.000, kalkuliert waren lediglich 3.300, schaffte es der EC Hedos, sich ein finanzielles Defizit anzumanagen. Der dritte Reinfall und der zweite Konkurs im Münchner Eishockeyleben drohte.
Da übernahm 1988 der Steuerberater Dr. Berthold Jakob, ein im wirtschaftlichen Metier beheimateter Fachmann, die Präsidentschaft des Vereins. Zum Manager bestellte er den vormaligen Geschäftsführer des Kölner EC, Franz Hofherr, der für geordnete Verhältnisse und eine akzeptable Zweitligamannschaft sorgte. Er holte den zwischenzeitlich nach Meran und Füssen emigrierten Jiri Kochta zurück, und mit ihm schaffte man zur Überraschung aller die Bundesliga -Aufstiegsrunde. Es müssen wohl die vielen gespendeten Kerzen gewesen sein - um auf ein drittes bayerisches Wesensmerkmal hinzuweisen, den Aberglauben -, die den Aufstieg in die Bundesliga bewirkten. Denn Kenner des Sports trauten den Münchnern nie und nimmer diese Leistung zu.
Glückliches Händchen
So verblüffend wie der unerwartete Erfolg gestaltete sich die Planung für die augenblicklich laufende Saison. Die neuen Funktionäre, beide Nichtbayern, verwiesen Jiri Kochta zum Erstaunen vieler aus dem Verein, verkauften mehrere Leistungsträger und holten einige Neue, darunter zwei Kanadier, Berry und Derkatch. Weitere Verstärkungen verhinderte die finanzielle Erblast vergangener Tage. Mit den beiden Kanadiern bewies Hofherr jedoch ein glückliches Händchen. Gleichzeitig sicherte er mit dem neuen Sponsor, einer Sparkasse, das finanzielle Überleben. Zusammen mit dem erstaunlichen Zuschauerzuspruch ist der Haushalt vorerst gedeckt.
Hofherr meint jedenfalls dem Schicksal der beiden Vorgänger entkommen zu können. Natürlich sei dies nur zu erreichen, wenn sich die für eine Großstadt blamable Situation betreffs der Eishalle (überaltert und sehr hohe Kosten) und der Trainingshalle (mangelnde Trainingszeiten) ändert. Außerdem ist der EC Hedos trotz großer Fortschritte im Bereich der Jugendarbeit noch auf absehbare Zeit gezwungen, sich beim jährlichen Neugestalten der Mannschaft bei seinen Konkurrenten umzuschauen. Obgleich diese widrigen Voraussetzungen von allen Verantwortlichen bejammert werden, ist das sportliche Ziel, der Erhalt der Klasse, jedoch fast erreicht.
Sollte sich der EC Hedos tatsächlich für längere Zeit im Eishockey-Oberhaus etablieren und sich selbst vor finanziellen Eskapaden bewahren, wäre laut Hofherr die Anziehungskraft auf Talente aus dem bayerischen Umland so groß, daß die dort ansässigen Vereine, der SB Rosenheim und der EV Landshut, zu Zulieferclubs für junge Spieler verkümmern könnten. Dies würde einen weiteren Niedergang des bayerischen Eishockeys in seiner bisherigen Form bedeuten. „Aber die Kleinstädte“, so Hofherr, „haben halt nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Landeshauptstadt, die nun einmal nötig sind, um Eishockey professionell betreiben zu können.“ Momentan läuft es allerdings noch andersrum, wie der Fall Derkatch beweist. Der Kanadier nämlich wird von der nächsten Saison an für den SB Rosenheim auf Torjagd gehen.
Gegen Frankfurt offenbarten vor allem Derkatch und Berry, wo die Stärken der Mannschaft liegen: im Angriff. Hatte man doch gerade in diesen Mannschaftsteil mit sieben neuen Spielern erheblich investiert. Das bedingungslose Nach-vorne -Spielen brachte gegen die Eintracht nach katastrophalem Beginn den höchsten Sieg der laufenden Saison. Weiterhin Sorgenkinder des Trainers Nordin sind Abwehr und Torhüter, wie die zweitschlechteste Auswärtsbilanz, nach Schlußlicht Freiburg, eindringlich beweist.
Es bleibt dem EC Hedos nichts anderes übrig, als in den Heimspielen, angefeuert von den fanatischen Zuschauern, sein Glück in der Offensive zu suchen. Mit der Leistung in der Partie gegen die Frankfurter Eintracht dürfte es der fairsten Mannschaft der Liga und dem besten Aufsteiger seit Einführung der Play-offs gelingen, das Traumziel ihres Trainers, den Platz acht, zu erreichen.
Schade dabei ist, daß die endgültige Entscheidung darüber am 16.Februar in der Auseinandersetzung mit einer bayerischen „Kleinstadtmannschaft“, nämlich der aus Landshut, fällt. 11.000 Zuschauer, Rekord bei einem Spiel der bundesdeutschen Meisterschaft, werden dann in der Münchner Olympiahalle dem Emporkömmling den Rücken stärken.
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