: Streit um jüdische Ansiedlung in der Westbank
UdSSR protestiert / Schamir: Jeder kann leben, wo er will ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Ungeachtet sowjetischer und US-amerikanischer Warnungen ist die israelische Regierung zuversichtlich, daß die jüdische Einwanderung aus der Sowjetunion wie geplant vonstatten geht. Der stellvertretende Außenminister Benjamin Netanyahu wies sowjetische Äußerungen zurück, wonach die Einwanderer nicht in den besetzten palästinensischen Gebieten angesiedelt werden sollten. Ministerpräsident Jizchak Schamir bezeichnete die Kontroverse über die erwarteten 100.000 Immigranten als „künstlichen Sturm“, der bald wieder abflauen werde. Der Regierungschef erklärte am Dienstag, es sei nicht beabsichtigt, die Einwanderer in der Westbank anzusiedeln. Es stehe ihnen jedoch frei, ihr Quartier aufzuschlagen, wo immer sie wollten.
Der stellvertretende sowjetische Außenminister Juli Woronzow hatte Israel am Montag davor gewarnt, jüdische Einwanderer in den besetzten Gebieten anzusiedlen. Woronzow erklärte, ein solcher Versuch könne Folgen für die Auswanderung aus der UdSSR haben. Juri Orkovnikov, Leiter einer Moskauer Wirtschaftsdelegation, und Georgi Martirosov, Leiter der sowjetischen konsularischen Vertretung, äußerten sich ähnlich. Andernfalls werde das Abkommen über den Luftverkehr vom Dezember nicht in Kraft treten. Der Vertrag sieht die Einrichtung von Direktflügen Moskau-Tel Aviv vor. Damit könnte eine Verdoppelung der Einreisen nach Israel von 5.000 auf 10.000 monatlich erreicht werden. Bislang springen viele jüdische Auswanderer bei der Zwischenlandung in Budapest ab und reisen in andere Länder weiter.
Simha Dinitz, der Vorsitzende der Zionistischen Weltorganisation und der Jewish Agency, wollte gestern mit israelischen Regierungsvertretern die Situation besprechen. Die Gelder der Agency werden nur für die Aufnahme von Neueinwanderern innerhalb der „grünen Linie“ zur Verfügung gestellt - wie von Washington gefordert. Einem Bericht der Zeitung 'Al Hamishmar‘ zufolge, plant Bauminister David Levy für die nächsten Monate bereits den Bau von 3.000 neuen Wohnungen in den besetzten Gebieten.
Letzte Woche hatte sich eine Gruppe palästinensischer Persönlichkeiten in einem Memorandum an westliche Diplomaten gegen die Ansiedlung sowjetischer Juden in den besetzten Gebieten gewandt. Anlaß war die Äußerung Schamirs, man brauche ein „Großisrael“ (inklusive der besetzten Gebiete), um die Neueinwanderer unterzubrigen. Der Ostjeruslamer Rechtanwalt und Journalist Ziad Bbu Ziad wies in einem Interview darauf hin, daß die Palästinenser nicht gegen eine jüdische Einwanderung nach Israel seien. Sie lehnten lediglich deren Ansiedlung in der Westbank und dem Gaza -Streifen ab.
Im Gegensatz zur PLO und der Untergrundführung des Aufstands in den besetzten Gebieten protestierte die fundamentalistische Hamas-Bewegung in einem Flugblatt gegen die neuen sowjetischen Ausreisebestimmungen für Juden nach Israel („Palästina“). Darüber hinaus kritisierte sie die US -Regierung, die die jüdische Einwanderung durch eine Quotenregelung begrenzt habe und damit die Immigration nach Israel fördere. Letzte Woche hatte Hamas zu einem Generalstreik gegen die Neueinwanderer und deren Ansiedlung in den besetzten Gebieten aufgerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen