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Neue Wege

■ Mikis Theodorakis über seine politischen Vorstellungen und Strategien. Anfang November 1989 antwortete er auf die Fragen von Asteris Kutulas

Asteris Kutulas: Anfang November fanden in Griechenland Wahlen statt. Die konservative „Neue Demokratie“ (46,2 Prozent) und die sozialistische Pasok (40,6 Prozent) konnten zulegen, die Linkskoalition (11 Prozent) mußte Einbußen hinnehmen. Keine Partei kann allein die Regierung bilden. Wie schätzt du die Wahlergebnisse ein?

Mikis Theodorakis: Die Wahrheit ist, daß ich mir ein anderes Wahlergebnis erhofft hatte. Vor allem, wenn man an die vielen positiven Gesetzesinitiativen der Links-Rechts -Regierung - übrigens die erste ihrer Art in Europa, wenn nicht in der Welt - in den letzten vier Monaten denkt. So konnten die Griechen zum ersten Mal übers Fernsehen die Parlamentsdebatten verfolgen, sich also ein objektives Bild von den politischen Vorstellungen und Argumenten aller Abgeordneten aller Parteien machen. Zum andern wurden ehemalige sozialistische Regierungsmitglieder der Gerichtsbarkeit übergeben, die nun über ihre Verwicklung in die Skandale der vergangenen Jahre befinden kann. Das Wichtigste in dieser Regierungszeit aber war die endgültige und substantielle Beendigung des Bürgerkriegs zwischen den Linken und Rechten, der seit seiner militärischen Einstellung 1949 durch gesetzliche Mittel und politische Programme auf andere Weise bis heute fortgeführt wurde.

Das alles, dachte ich, würde dazu führen, daß nur der „harte Kern“ der Pasok-Anhänger wieder den skandalumwitterten Papandreou wählen würde, dessen Regierung Griechenland in diese dramatische Situation geführt hat. Aber der „Awrianismus“ - die Fanatisierung großer Teile der Bevölkerung vor allem über die Propaganda der Zeitung 'Awriani‘ (Morgenzeitung) - scheint viel tiefere Wurzeln im griechischen Volk zu haben, als ich annahm. Es handelt sich dabei um ein in erster Linie psychosoziales Phänomen, das aber auch politische und kulturelle Dimensionen besitzt. Für mich ist es nur mit einem gesellschaftlichen Geschwür zu vergleichen.

In den acht Regierungsjahren der Pasok bildete sich eine neue Massenkultur heraus - der „Awrianismus„-, deren wichigstes Merkmal das Ansprechen der niedrigsten menschlichen Instinkte ist, also ein Anlehnen an bekannte faschistische Vorbilder. Bezeichnend ist die folgende ignorante Aussage des Herausgebers der 'Awriana‘ und Abgeordneten der Pasok, Herrn Kurios: „Ich habe nie ein Buch gelesen, bin nie ins Theater gegangen, war niemals in einem Museum und habe mich nie für Musik interessiert.“ Soweit hat Pasok Griechenland gebracht.

Wie läßt sich dann der Wahlerfolg der Pasok erklären?

Die Sozialisten haben durch Schürung der antirechten Hysterie einen Verleumdungsfeldzug gegen die Linkskoalition inszeniert und sie des Verrats an der „linken Sache“ bezichtigt. Statt einer nüchternen Analyse haben sie dem blinden Fanatismus den Vorzug gegeben und u.a. in der 'Awriana‘ behauptet, die Kommunisten hätten sich verkauft und wären zu „amerikanischen Agenten“ geworden, weil sie mit der Rechten eine Regierung gebildet haben. Das führte dazu, daß etwa zwei Prozent der Linken bei den letzten Wahlen zu Pasok überwechselten. Das waren zum größten Teil die „Dogmatiker“ unter den Linken, die als einzige politische Orientierung ihren blinden Haß auf die Rechten haben. Dieses verständliche antirechte Syndrom entspringt ihrem Kampf im Bürgerkrieg Ende der vierziger Jahre, ihrem Einsatz gegen die ultrarechten Regierungen in den fünfziger Jahren, gegen die Junta und die amerikanische Einmischung usw. Sie begreifen aber nicht, daß sich die Welt verändert hat und sich in Griechenland, in Europa, in der Sowjetunion weiterhin verändert.

Nun hat zwar die „Neue Demokratie“ auch um etwa zwei Prozent zulegen können, was aber nicht für die absolute Mehrheit reicht. Worin besteht deiner Meinung nach die Lösung der andauernden Regierungskrise?

Du weißt, daß ich als Unabhängiger für die „Neue Demokratie“ kandidiert habe, und zwar weil sie für mich in der derzeitigen Situation den einzigen realen Ausweg aus der dramatischen Situation des Landes garantiert. Zum andern hatte ich bereits im April eine „Regierung der nationalen Einheit“ zwischen Linken und Rechten gefordert - so, wie sie dann auch tatsächlich zwei Monate später gebildet wurde. Das ist für mich weiterhin der einzig gangbare Weg. Die Ursachen der Krise sind ja noch nicht beseitigt.

Wenn aber die Linke, eingeschüchtert durch ihre Verluste und vor allem aus Angst vor der ultralinken Phraseologie der Sozialisten, nicht zu einer Zusammenarbeit bereit ist, andererseits aber auch mit der Pasok nicht auf lange Sicht zusammenarbeiten kann, weil sie als Vorbedingung die Ausklammerung von Papandreou und anderer in Skandale verwickelter Pasok-Funktionäre stellt, aber auch weitere programmatische Differenzen bestehen, sehe ich keine andere Möglichkeit, als erneut - zum dritten Mal innerhalb eines Jahres - zu wählen. Das hätte allerdings katastrophale Folgen für die griechische Wirtschaft.

Besteht überhaupt die Grundlage für eine erneute Links -Rechts-Koalition?

Um das herauszufinden, muß man nur analysieren, was eigentlich bei den Wahlen im Juni und jetzt im November „gewählt“ wurde. Meiner Meinung nach haben die Wähler nicht nur über eins entschieden: über die letzten acht Regierungsjahre von Pasok. Und diese extreme Situation ist entstanden, weil in dieser Regierungsperiode bislang unbekannte und extreme Deformierungen entstanden sind. Ich meine die Skandale, den erst in dieser Zeit aufgekommenen Terrorismus usw. Die sogenannte „Katharsis“ (Reinigung) war ja auch die Grundlage für die Bildung der Koalitionsregierung im Sommer. Ist die „Katharsis“ zu Ende gebracht worden? Natürlich nicht. Der Gegensatz besteht also nach wie vor zwischen der Führung der Pasok einerseits und den übrigen Gruppierungen andererseits, die eindeutig die absolute Mehrheit ausmachen.

Wenn du sagst, die links-rechte Mehrheit habe gegen Pasok gewählt, was meinst du damit?

Die Pasok-Führung hat in den letzten Jahren systematisch die demokratischen Strukturen des Staates außer Kraft gesetzt, zum Beispiel die Parteidemokratie, den Staatsapparat, das Parlament, die Rolle des Staatspräsidenten; das alles wurde auf den einen ausgerichtet, nämlich auf den Ministerpräsidenten Papandreou. Der Sauerstoff der Demokratie wurde dem Land entzogen.

Folge dieser Außerkraftsetztung der demokratischen Kontrolle waren die berühmten Skandale. Das Problematische dieser Skandale besteht für mich nicht in ihrer quantitativen Dimension, daß also öffentliche Gelder - zum Teil durch Fehler, zum Teil durch Diebstahl - veruntreut wurden. Ich denke an den Einkauf der Jagdflugzeuge, an die Finanzspritzen aus öffentlichen Kassen für die angeschlagene Bank Kretas von Koskotas oder an die dramatische Zuspitzung des Haushaltdefitits in diesen Jahren usw. Das eigentliche Problem besteht für mich eher im moralischen Verfall der politischen Kultur. Denn diese Ausmaße zeigen, daß nicht nur einer oder zwei oder fünf, sondern daß Tausende in diesen kriminellen Prozeß einbezogen waren. Das ist also keine persönliche, sondern ene „staatliche“ Angelegenheit geworden. Denk nur an den Abhörskandal, also an die systematische Überwachung aller politischen Feinde und Freunde, wofür sich Herr Papandreou bald vor Gericht verantworten wird.

Daß sich Linke und Rechte wieder auf den Punkt der „Katharsis“ einigen könnten, wäre möglich, aber für eine programmatische Übereinkunft sehe ich keine Chancen.

Die zwei offenbar kritischsten Punkte für eine weitere Zusammenarbeit sind der Verbleib der USA-Stützpunkte in Griechenland und die ökonomische Politik.

Zum ersten Punkt ist meine Meinung seit Jahren bekannt. Die Zeit der militärischen Einmischung der USA in unsere inneren Angelegenheiten ist seit 1974 vorbei. Zumal jetzt, da sich die zwei Supermächte auf einen Abrüstungsprozeß und eine gleichmäßige Reduzierung der Waffenarsenale geeinigt haben, liegt es nicht an uns, einen einseitigen Abzug zu verlangen. Wir sollten natürlich Druck ausüben, daß sich die Supermächte mit ihrer gleichgewichtigen Reduzierung beeilen. Aber ein „nationales Problem“ wie vor zwanzig Jahren sind die Stützpunkte heute nicht mehr. Ich meine, sie stören uns nicht bei der gesellschaflichen Umgestaltung, sie gefährden nicht unsere Demokartie wie ehedem. Der Kalte Krieg ist vorbei, darum steht dieses Thema nicht so akut auf der Tagesordnung.

Kommen wir zur ökonomischen Politik. Da sehe ich keine Alternative zum „europäischen Modell“. Auch linke Koalitionsregierungen, wie zum Beispiel in Frankreich oder in Bundesländern der BRD, haben in der Vergangenheit auch nur kosmetische Veränderungen an der bestehenden Wirtschaftsstruktur vornehmen können. Die Grundlage der Wirtschaft ist jedoch nie angetastet worden. Auch der angestrebte Prozeß in den sozialistischen Ländern zeigt, daß sich die Konzepte zur Entwicklung und Gesundung der Wirtschaft sehr ähneln. In Griechenland geht es jetzt darum, nach dem Fiasko der ökonomischen Politik von PASOK, einen wirtschaftlichen Aufschwung zu erreichen. Unser Land ist Provinz geblieben zu einer Zeit, da uns „Europa“ bevorsteht. Man muß bedenken, daß uns Portugal in den letzten Jahren wirtschaftlich überrundet hat und Spanien, vor kurzem mit uns etwa gleichauf, die höchsten Entwicklungsraten in der EG aufweist. Mit solch einem „europäischen“ Programm, dem auch die „Neue Demokratie“ folgt, bin ich einverstanden - unter einer Bedingung, die auch von deren Vorsitzenden Kostas Mitsotakis wiederholt bestätigt wurde: das Lebensniveau der Werktätigen darf sich nicht verschlechtern.

Denkst du, das wäre die Formel, auf deren Grundlage sich Linke und Rechte einigen könnten?

Welche alternativen realistischen Vorschläge zur Wirtschaftsführung hat denn die Kommunistische Partei zu machen? Ich bin mir sicher: Wenn man sich an einen Tisch setzen würde - was für beide Seiten sehr vorteilhaft wäre, am vorteilhaftesten aber für das griechische Volk-, würde man zu ähnlichen Lösungen kommen und Kompromisse wären möglich. Ich würde noch einen Schritt weitergehen und der Kommunistischen Partei auf ökonomischem Gebiet die Initiative überlassen...

Was hindert die Linke und die Rechte an dieser von dir skizzierten Zusammenarbeit?

Erst einmal die tief sitzenden Vorurteile und die alten Vorstellungen: daß alle Rechten Agenten des in- und ausländischen Großkapitals sind, die bewußt die Interessen des Volkes an die Monopole verkaufen usw. Daß die Rechten keine Patrioten seien, keine persönlichen und klassenmäßigen Bindungen zum Volk haben... Mit anderen Worten, daß sie die drei Millionen Wähler bewußt belügen und ausnutzen, um sie auszubeuten. Ich sage das hier mal so überspitzt, um die Problematik hervorzukehren. Mit diesen alten vereinfachten Feindbildern kommt man heute nicht weit.

Andererseits bindet die traditionelle Gegen-Rechts -Orientierung der KP-Führung die Hände. Denn wenn sie den Mut hätte, zu sprechen, dann würde sie auch öffentlich bekunden, daß die viermonatige Zusammenarbeit mit der „Neuen Demokratie“ für sie eine echte Überraschung darstellte. Immerhin waren alle fünf verabschiedeten Gesetze in dieser Zeit von ihr eingebracht worden. Darum jetzt diese Scheu vor einer erneuten Annäherung: Die Kommunistische Partei hat „Angst“, mit der „Neuen Demokratie“ übereinzustimmen! Aber nicht so sehr vor dem Fakt an sich, sondern vor der Kritik der Pasok-Führung. Vor dem Vorwurf, sie habe sich „verkauft“. Dabei hat die Pasok-Regierung die schlimmste und „konservativste“ Sparpolitik in den letzten zwanzig Jahren durchgesetzt, die Gewerkschaften und den Studentenbund zerschlagen und das Land an den Rand des Ruins geführt. Die Kommunistische Partei läßt sich also von der Pasok in eine Rechtfertigungsrolle hineindrängen, statt offensiv vorzugehen. Darum denke ich, daß das heutige Problem bei uns ein psychologisches ist. Die KP-Funktionäre können nicht über sich selbst hinauswachsen, sie können es nicht „wagen“! Ich als Privatperson riskiere es und spreche es aus. Mich interessiert pragmatisch nur eins: Was ist das Beste in diesem Augenblick für das Land.

Denkst du, daß die Rechte zu so einer Zusammenarbeit bereit ist?

Sicher, sonst hätte ich mich nicht als unabhängiger Kandidat für die „Neue Demokratie“ aufstellen lassen. Und die jetzige Haltung der Rechten offenbart eine unvorstellbare Entwicklung. Ihre antikommunistischen Ressentiments waren sehr stark. In gewisser Weise und mit umgekehrten Vorzeichen genauso stark wie die der Linken. Sie mußten in einem schmerzlichen Prozeß überwunden werden, was der Rechten ganz sicher nicht leichter gefallen ist als den Kommunisten ihrerseits.

Zum ersten Mal nach dem Bürgerkrieg können sich Linke und Rechte in Griechenland normal unterhalten, sich gegenseitig als Menschen akzeptieren, sich politisch auseinandersetzen. Für diese menschliche Aussöhnung habe ich mich seit den fünfziger Jahren eingesetzt. Natürlich kann ich nicht wissen, wie die Basis und die Funktionäre der „Neuen Demokratie“ reagieren würden, wenn sich die Linkskoalition klar und deutlich für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit aussprechen würde. Aber ich bin bereit, meinen „Ruf“ für diese pragmatische Einschätzung zu opfern.

Warum hast du dann nicht die Linke unterstützt?

Weil ich den größeren „Fortschritt“ und den realistischeren Blick für die derzeitige Situation bei der „Neuen Demokratie“ feststelle und weil ich glaube, daß die Linke die größte Gefahr überhaupt nicht erkennt, nämlich das Geschwür des „Awrianismus“ und Terrorismus sowie die staatliche und parastaatliche Machtpyramide der Pasok -Führung. Ich erinnere nur daran, daß Papandreous Stellvertreter und Minister in seinem Kabinett, Herr Kutsogiorgas, vor über einem Jahr ein Gesetz durchgesetzt hat, nachdem er - wie es sich später herausstellte - dafür 2,5 Millionen Dollar kassierte. Dieser Mann ist noch immer Pasok-Mitglied, abgesehen davon, daß kein Mitglied der damaligen Regierung bereit ist, die Verantwortung für diesen unerhörten Vorgang zu übernehmen: Daß von einem Bankier ein Gesetz gekauft wurde.

Trotzdem, ist das nicht ein Widerspruch: Theodorakis bei den Konservativen?

Ich bin ja kein Rechter geworden, was immer das bedeuten mag. Meine politische Laufbahn in den letzten dreißig Jahren hat aus mir einen „Europäer“ gemacht. Ich war Kommunist bzw. sympathisierte mit den Kommunisten, glaubte an das Experiment des Sozialismus. Dem blieb ich emotional noch lange Zeit verhaftet, aber meine Zweifel und meine Kritik begannen bereits sehr früh. Schon vor der Junta und dann während der Niederschlagung des Prager Frühlings distanzierte ich mich von der Praxis des real existierenden Sozialismus. Als ich 1970 für zwei Jahre Mitglied der KP Inland wurde, vertrat ich eurokommunistische Positionen. Später distanzierte ich mich auch von diesen und wurde nie wieder Mitglied einer Kommunistischen Partei, trotz meiner erneuten Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei von 1978 bis 1984. Ich begriff, daß das, was man Klassen und Klassenkampf nannte, Ende des 20.Jahrhunderts anders zu funktionieren begann und sich nicht nur in der Erscheinungsform änderte. Philosophische und theoretische Studien brachten mich zur Revision meiner alten Vorstellungen. Denn das Experiment des realen Sozialismus scheiterte, weil das zentrale Problem der Freiheit ungelöst blieb. Das hängt mit einer ganz bestimmten antidemokratischen Machtstruktur zusammen, die sich in den sozialistischen Ländern stets regeneriert hat. Dagegen überzeugte mich der Zusammenhang zwischen hoher Produktivität und errungenen Freiheiten in den entwickelten Industrienationen, trotz der in ihnen bestehenden kulturellen und ökologischen Probleme, die es unbedingt anzugehen gilt.

Hinzu kommt, daß ich nicht mehr der Theodorakis von 1964 bin, der mit den anderen Mitgliedern der Lambrakis -Jugendbewegung jene schönen Illusionen vom Sozialismus hegte. Ich bin ein Mensch, der aufgrund seiner Erfahrungen das „europäische Modell“ als Zukunftsmodell akzeptiert. Und die EG ist kapitalistisch. Ich sage das natürlich nicht als Apologet des Kapitalismus, sondern als ein „Werktätiger“, der gegen jede Form der Machtausübung, gegen jedwede Gewalt und Ungerechtigkeit ist, die es hier zuhauf gibt und gegen die es zu kämpfen gilt. Aber ich sehe auch die Errungenschaften und die Potenzen dieses Systems und wäge ab. Und weiß um die Schwierigkeiten, Häßlichkeiten und um die Nivellierung der Persönlichkeit, die hier stattfinden. Trotzdem gibt es gewisse Garantien, daß es vorwärts geht und daß die Lebensqualität der Menschen immer besser wird. Andererseits gilt es natürlich vom sozialistischen System die positiven Impulse und Ansätze zu retten. Leider ist die derzeitge Krisensituation dazu angetan, alles zu verschütten.

So habe ich meine eigene Vorstellung von der Entwicklung der Gesellschaft, was natürlich nicht bedeutet, daß mein Schritt zur Zusammenarbeit mit der „Neuen Demokratie“ die Verleugnung meines bisherigen Tuns oder meiner Ideale bedeutet. Ganz im Gegenteil. Ich bin der alte gebieben, doch mir sind nunmal parteiliche Scheuklappen bei meinen politischen Entscheidungen fremd. Und wenn die Rechten eine andere Politik machen würden, als sie jetzt vorgeben, würde ich sofort als Abgeordneter zurücktreten. Ich fühle mich nur meinem Gewissen verpflichtet.

Welche Rolle spielt die Musik in solchen Momenten für dich?

Die schöpferische Arbeit steht für mich über diesen politischen Dingen. Sie garaniert mir meine Ausgeglichenheit und meine Sensibilität gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld. Die Musik bewahrt mich davor, in der Politik aufzugehen. Und gibt mir die Gewißheit, etwas zu machen, was kein anderer tun kann. So schreibe ich seit einem Jahr an der Oper Medea nach Euripides. Ich werde noch etwa ein Jahr für die Orchestrierung brauchen. Zum Glück habe ich diese Arbeit.

Das Interview fand Anfang November in Athen statt. Inzwischen einigten sich die drei großen Parteien (Neue Demokratie, Pasok, Vereinigte Linke) auf eine große Regierungskoalition bis zur Wiederholung der Wahlen am 15.April 1990.

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