: „...wenigstens ein bißchen näherkommen“
■ AL zog Bilanz zur Verfassungsschutz- und Polizeipolitik - und ein Verfassungsschützer sah ganz offen zu / Wenn die Sozis die Schlüsselpositionen halten, kann wenig Neues erreicht werden
Bei der AL ist man zur Zeit dabei, Bilanz zu ziehen, inwieweit bisher alternative Vorstellungen verwirklicht werden konnten. Am Donnerstag abend lud die Fraktion zum Thema „Resümee: Verfassungsschutz und Polizei“ ins Rathaus Schöneberg. Doch nur rund 20 Zuhörer hatten den Weg in den Sitzungssaal gefunden. Zuerst gab die AL-Fraktion einen Rechenschaftsbericht ab. Ihre auf den Verfassungsschutz spezialisierten Abgeordneten versuchten mit viel Worten die wenigen Erfolge des letzten Jahres darzustellen. So habe man es geschafft, daß Bürger beim Landesamt für Verfassungsschutz Auskunft bekämen, und auch die Polizei habe im letzten Jahr ihre Verhaltensweisen geändert: Der 1.Mai 1989 - eine Folge von alternativer Stadtpolitik. Nach diesen „Fakten“ sollte eine Diskussion stattfinden. Es ging sofort auch hier wieder einmal darum, ob die AL in der Regierung bleiben sollte. Weiterhin machte man der AL den Vorwurf, daß sie es geschafft habe, jeder demokratischen Bewegung in der Stadt die Energie genommen zu haben. Die Fraktion gab die Vorwürfe zurück - und beklagte, daß es unmöglich sei, ohne die Unterstützung von unten alternative Forderungen durchzusetzen. Daß es nicht beim üblichen Wechselspiel zwischen Realos und Fundis blieb, lag dann hauptsächlich an dem, um den es eigentlich an diesem Abend gehen sollte - den Verfassungsschutz. Er war in Gestalt eines angegrauten, wohlbeleibten Fünfzigers anwesend, der freimütig bekannte, für den VS zu arbeiten. Er freue sich hier zu sein und verfolge die Diskussion mit Spannung. Kreisten vorher die Blicke umher, wer denn diesmal der Spitzel sei, hatte man nun den Gegenspieler direkt vor Augen. Eine neue Taktik, die aber nicht unbedingt ein Erfolg der Koalition ist. Beim Thema Abschaffung des Verfassungsschutzes wurde bilanziert, daß es der AL nicht gelungen ist, dem Ziel wenigstens „ein bißchen nahezukommen“. Resignierend zog Otto Dietrich aus der Fraktion das Fazit, daß alle bedeutenden Positionen im Bereich Inneres und Justiz mit SPD-Politikern besetzt sind und dies dazu geführt habe, daß alternative Forderungen nicht vorankämen. Man werde weiter fordern, jedoch mit dem „Wissen, es nicht zu schaffen“, so Lena Schraut.
Clemens Riah
Siehe hierzu auch das Interview auf Seite 30.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen