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Herthaner hechelten den Bayern im Mittelfeld hinterher

■ Freundschaftsspiel Hertha BSC gegen Bayern München im Olympiastadion endete 1:3 / In der ersten Hälfte gab es Offensivfußball, dann aber schlafften die Herthaner konditionell ab / Wohlfart schoß für die Bayern alle drei Tore / Im Stadion waren nur 35.000 Zuschauer

Die Bayern aus München zeigten sich großzügig. Artige Komplimente verteilten sie, Kostproben der höheren Fußballkunst und einige nicht so feine Tricks aus dem rauhen Alltag der ersten Liga. Ein Freundschaftsspiel sollte es sein; für beide Mannschaften Teil der Vorbereitung auf den Rest der Rückrunde nach der Winterpause, für die Zuschauer eine angenehme Unterhaltung, bei der nicht verbissen um Punkte getreten, sondern eher fußballästhetisches Vergnügen bereitet wird. Sowohl die Bayern als auch die Herthaner boten beides, um so erstaunlicher, daß nur knapp 35.000 Menschen - davon die Hälfte mit Freikarten - erschienen waren, um zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Klasse -Mannschaft gegen die Herthaner zu erleben.

Die Bayern wollten sich aber nicht nur produzieren. Das Stadionprogramm wurde zu einer Werbeschrift des Münchner Sponsors umfunktioniert; die Spieler beider Mannschaften wurden mit Fahrzeugen dieses Automobilherstellers zum Spielfeld chauffiert. Dabei kam es zu den ersten Zwischenfälle. Zwei Fahrzeuge wurden erfolgreich von mit alkoholfreiem Bier gefüllten Bechern getroffen, Herthas neuer Mittelstürmer Axel Kruse nach dem Aussteigen beinahe überfahren, und Bayerns Mac Inally knallte dem nach ihm aussteigenden Kretschmer zwecks psychologischer Beeinflussung die Tür vors Schienbein.

Nachdem sich unter den Fans die traditionellen preußisch -bayerischen Pöbeleien gelegt hatten - blödsinnigerweise saßen die Bayernfans direkt neben dem Block der „Hertha -Frösche“ - machten sich die Berliner daran, den Bayern, wie so oft gefordert, die nie auf dem Spielfeld getragenen Lederhosen auszuziehen.

Mit etwas weichen Knien vor dem großen Namen, aber viel Schwung begannen die Herthaner ihr Vorhaben. Daß es ihnen nicht leichtgemacht wurde, merkten die Meister aus München ziemlich schnell und mischten munter mit beim Offensivfußball der ersten halben Stunde. Dabei zeigten sich sehr schnell die Unterschiede zwischen erster und zweiter Liga.

Souverän ließen die Bayern den Ball laufen, verwirrten Mac Inally und Wohlfart die Hertha-Abwehr durch flinke Positionswechsel, was oft den Eindruck erweckte, die Münchner hätten einen Spieler mehr, so daß Dorfner bequem seine hervorragenden Pässe zu freistehenden Mitspielern schlagen konnte.

Herthas Mittel dagegen bestanden einige Male in etwas rüden Attacken, besonders Holzer machte seinem Namen Ehre und säbelte des öfteren nicht sehr freundschaftlich an Wohlfarts Beinen herum, was letzteren aber keineswegs hinderte, alle drei Tore für die Münchner zu schießen.

Überhaupt wurde doch verbissener gespielt als bei einer solchen Begegnung üblich. Augenthaler und Kohler, bekannt als nicht sonderlich pfleglich im Umgang mit Gegenspielern, konnten es nicht seinlassen. Nachdem Kruse ganz frech vier Bayernspieler auf einmal ausgetrickst hatte, wurde es den beiden Nationalspielern zu bunt. Doch alles Ziehen am Trikot, Rempeln und Auf-die-Füße-Treten half nichts; nach einem Pfostenschuß von Klaus standen Gries und Kruse ganz allein vor dem Münchner Tor, der Ältere überließ dem Neuen die Ehre, den Ausgleichstreffer abzustauben.

Daß die Herthaner dennoch verloren, lag daran, daß sie in der zweiten Hälfte konditionell ziemlich abschlafften und dem Kombinationsspiel der Bayern gerade im Mittelfeld hinterherhechelten. Daß diese Spielweise nicht aus der Bauchgegend stammt, sondern vom Kopf geleitet wird, erkannten schließlich sogar die Herthafans. So forderten sie gegen Spielende, ganz dem bekannten Schwachsinn entsprechend, den Bayern nicht mehr Kleidung vom Leib zu reißen, sondern die Schädeldecken einzuhauen.

Die Gäste aus dem Freistaat waren da sehr viel freundlicher. Nachdem Josef „Osram“ Heynckes und Würstl -Hoeneß lieber gleich zum Flugplatz fuhren, mußte Assistent Cordes die üblichen Komplimente aufsagen, wie gut die Berliner doch seien und daß man sich im nächsten Jahr bestimmt bei Meisterschaftsspielen wiedersähe, bla-bla-bla. Werner Fuchs war da schon viel realistischer, als er die große Nervosität gerade seiner jungen Spieler bemerkte, „von der sie aber nur lernen können“. Vielleicht schon diese Woche, wenn die Mannschaft auf der Rentnerinsel Mallorca im Trainingslager weilt und in der Freizeit beim Braten in der Sonne ruhige alte Menschen studiert.

Schmiernik

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