: ZWISCHEN DEN RILLEN
■ Über geistiges Eigentum und den Umgang damit - eine Programmstörung
Programmstörung
Um mitreden zu können, müßte ich die Hörfunkprogramme systematisch oder doch „oft“ hören, „durchhören“, wie der Professionelle sagt. Ich mag aber nicht - und über den Hauptgrund dafür, warum ich die meisten Sender „nicht mehr hören“ kann, warum sie mir „auf den Sender gehen“, rede ich jetzt mal dazwischen.
Also, angefangen hat es - schon vor Jahrzehnten - mit der GEMA-inheit, Musiktitel nur anklingen zu lassen, sie mittendrin abzublenden, lange vor dem Happy-End, oder sie kurz nach dem Höhepunkt (den ja auch Drei-Minuten-Schlager haben!) mit Palaver zu unterbrechen.
Ob es wirklich wegen der GEMA-Beiträge geschah, entzieht sich meiner Kenntnis, sicher war es auch eine Mißachtung gegenüber der musikalischen Eigenleistung eines/r Musikmachers/-in.
Ich war dagegen empfindlich, seit mir, es war schon in den fünfziger Jahren, im Schwabinger Jazzlokal „Fendilator“ mein schwarzer Freund Percy (Houston S. Person, Saxophonist) einmal ganz bestürzt zugerufen hatte: „Never leave in the middle of a number!“, als ich mich anschickte, eben dies zu tun. Ich wollte nach Hause, und sie spielten gerade Jordu oder Daahoud. (Kompositionen von Max Roach und/oder Clifford Brown, US-Musiker mit schwer zu etikettierender „Modern Jazz„-, „East coast-“ oder „Bop„-Spielweise, heute wieder gern - stets anonym! - gespielt.)
Beschämt zog ich meinen Cordmantel wieder aus.
Die Un-Sitte des Musik-nur-Anspielens, Quasi-Zitierens, Potpourrierens ist seither - soviel ich weiß - allgemein als eine Unsittlichkeit anerkannt, wenn das auch sehr eng damit zusammenhängen dürfte, daß Musik, in gewisser Hinsicht, in Radioprogrammen bedeutsamer geworden ist; Stichworte: Einschaltquoten, „Wortlastigkeit“, „Easy Listening“.
Die jetzige Untat heißt: „Ist-doch-egal-wer-da-spielt, Hauptsache-die-Leute-schalten-nicht-um“ (auf RIAS II beispielsweise).
Klar, davor hat der Herr Inhaber des Kommerzradios Angst, und womöglich denkt der auch: „Wenn ich den Musikern, Komponisten, Textern, Arrangeuren ihre kreative Leistung als Verdienst nicht anrechne, brauch‘ ich auch keine Gebühren zahlen für das Öffentlich-zu-Gehör-bringen desselben“.
Dieses wäre bei der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und technische Vervielfältigungsrechte) nachzuprüfen.
Ehe ich meinen Protest erkläre und zum Boykott aufrufe, bringe ich ein Beispiel: In einer Sendung des für seriös gelten wollenden „Deutschlandfunk“ mit dem Titel „Unterwegs in Europa“ hörte ich zwischen den Wortbeiträgen über Spanien während einer ganzen Stunde spanische Musik, alles, von der klassischen Gitarre über herrlichen Flamenco bis zu triefenden Schnulzen. Die Namen der Reporter, des Redakteurs, Vor- und Nachnamen der Interviewpartner werden genannt - im Text und am Schluß noch einmal - einige Namen werden sogar am Anfang und am Schluß der Sendung genannt.
Ich warte darauf, zu hören, ob ein bestimmtes Musikstück von oder von und mit Andres Segovia war, woher die Soleares stammten etc. - und was muß ich hören? Daß eine Eva Maria Giffefack die Musik der ganzen letzten Stunde „ausgewählt“ habe. That's it!
Das Volk der Dichter und Denker - auch da werden schon Mozart und Beethoven ausgelassen -, kann es denn der Musik und ihren Schöpfern keinen Tribut zollen? Bei klassischer Musik geschieht es doch in aller Regel! Warum nicht bei Billie Holiday, Nina Hagen, Savannah Georgia?
Kommerzhörer aller Sender, verweigert Euch! - Es sei denn, man nennt die Titel, sagt die Namen - auch wenn es den Wortanteil des Stattradios von drei auf 3,5 Prozent erhöhen sollte: Musik bleibt Musik - und ich will wissen, von wem die ist!
Sophie Behr
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