: EX-SEDler gründen Reformpartei
„Unabhängige Sozialistische Partei“ (USP) soll im März aus der Taufe gehoben werden / Reformergruppe aus Humboldt-Universität als Initiatoren / Liebäugeln mit linkem Wahlbündnis ■ Von Walter Süß
Ost-Berlin (taz) - Im Wilhelm-Pieck-Saal des „Hauses der Demokratie“ in Berlin-Mitte ist am Samstag das Fundament für eine neue Partei gelegt worden. Etwa 250 Menschen waren gekommen, um die Gründung einer „Unabhängigen Sozialistischen Partei“ (USP) vorzubereiten. Das Besondere an diesem Vorhaben ist, daß es vor allem von ehemaligen SED -Mitgliedern getragen wird.
Den Kern der Vorbereitungsgruppe bildet die frühere SED -Reformergruppe an der Humboldt-Universität, die in den letzten Wochen teilweise die SED-PDS verlassen hat. Sie sind es leid, ihre Energien in einer Partei zu verschleißen, die fast nur noch mit sich selbst beschäftigt ist, während die politische Entwicklung im Land mit Siebenmeilenstiefeln voranschreitet. Hinzu kommt, daß es fast unmöglich ist, unter dem Zeichen SED-PDS noch irgendwo Gehör zu finden - zu heftig ist die allgemeine Ablehnung.
In diese emotionale Ablehnungsfront wollen sich diejenigen, die jetzt ausgetreten sind, allerdings nicht einreihen.
Sichtbares Zeichen dafür war eine gemeinsame Veranstaltung von ausgetretenenen Reformern (Rainer Land, Dieter Segert und Rosi Will) und PDSlern, die weiter versuchen wollen, ihre Partei zu reformieren (Michael Brie zum Beispiel), veranstaltet am Nachmittag des gleichen Tages von der Kreisorganisation der SED-PDS an der Humboldt-Universität.
Die erfreulich sachliche Atmosphäre, in der dort über die Frage von Reformperspektiven für die DDR diskutiert wurde, demonstrierte, daß man weiterhin miteinander reden kann.
Korrektiv in der neuen Gesellschaft
Die USP, deren Gründung am Abend dann vorbereitet wurde, ist kein reines Berliner Projekt. Analoge Initiativen gibt es in Leipzig, Dresden, Bernburg, Erfurt, Halle und Jena. Sie sollen - so Rainer Land - „von unten her zusammenwachsen“. Die USP möchte konzeptionelle Kompetenz, soziale Verankerung in Basisinitiativen und Politikfähigkeit zusammenbringen. Sie soll - so die Schriftstellerin Helga Königsdorf - die Interessen der sozial Schwachen vertreten, als „Korrektiv in dieser Gesellschaft, die da entstehen wird“. Im Vordergrund werden dabei die Auseinandersetzung mit den sozialen Kosten eines Anschlusses der DDR an die BRD stehen, der Versuch, basisdemokratische Impulse vom Herbst 1989 in die künftige Gesellschaft hinüberzuretten, sowie der Anspruch, Politik im internationalen Zusammenhang zu denken.
Die formelle Parteigründung soll erst im März stattfinden eine Woche nach den Wahlen zur Volkskammer. Dabei soll, so es dazu kommt, ein linkes Wahlbündnis unterstützt werden. Bei den Kommunalwahlen im Mai will man dann selbst kandidieren. Über die Chancen dieses Projektes gingen die Meinungen weit auseinander: Während ein Berliner Teilnehmer Sorge äußerte, ob genug Leute zusammenkommen, um die Wahlvorstände beschicken zu können, warnte ein Leipziger vor dem „totalen Run auf diese Partei“.
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