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Vergangenheitsbewältigung in Köln?

■ „Projektgruppe Messelager“ legte Modellplan einer Stiftung für ehemalige Zwangsarbeiter vor

Köln (taz) - Sie retteten Verschüttete nach Luftangriffen, räumten Bomben und Trümmer beiseite und bauten zerstörte Gebäude wieder auf: Die Zwangsarbeiter, die von 1942 bis 1945 in einer Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald in den Kölner Messehallen untergebracht waren. Die Kölner Stadtverwaltung koordinierte damals die Einsätze der Häftlinge, die mithelfen mußten, das öffentliche Leben in der Stadt aufrechtzuerhalten.

Entschädigt wurden die meisten dieser Häftlinge bisher nicht. Zwangsarbeit gilt als „kriegsbedingt“, und eine Entschädigung kann nur über Reparationszahlungen zwischen am Kriege beteiligten Staaten geleistet werden. 45 Jahre nach Kriegsende steht eine endgültige Regelung der Reparationsfrage immer noch aus, weshalb Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter vor bundesdeutschen Gerichten regelmäßig abgewiesen werden.

In Köln will die „Projektgruppe Messelager“, die 1989 mit Historikern und mit ehemaligen Häftlingen ein Symposium zur Vergangenheit der Messehallen veranstaltet hatte, die Stadt jetzt in die Pflicht nehmen. Erstmalig in der Bundesrepublik soll nach dem Willen der Projektgruppe ein „kommunales Projekt zur Entschädigung nationalsozialistischen Unrechts“ entstehen. Das Konzept sieht vor, daß die Stadt eine Stiftung errichtet und mit einem Kapital von fünf Millionen Mark ausstattet. Aus den Zinserträgen sollen jeweils mindestens 5.000 Mark an jene ehemaligen Häftlinge gezahlt werden, die seinerzeit im unmittelbaren Interesse der Stadt Köln und ihrer Bevölkerung gearbeitet haben. Die Stadt, die auch in diesem Jahr ein Besuchsprogramm ehemaliger Häftlinge mit 100.000 Mark fördert, soll mit der Einrichtung der „Kölner Stiftung“ eine Vorreiterrolle spielen und auch für die Wirtschaft beispielgebend sein. Die Unternehmen, die in weit größerem Ausmaß als die Kommune von der Zwangsarbeit profitiert haben, sollen sich - so sieht es das Konzept vor an der „Kölner Stiftung“ beteiligen.

Zur Zeit erarbeitet die Kölner Stadtverwaltung, der die Projektgruppe ihr Konzept vorstellte, ein Gutachten zu der Frage, ob und wie „kommunale Entschädigung“ der Zwangsarbeiter geleistet werden kann. Peter Liebermann von der Projektgruppe erwartet zwar juristische Probleme für die Stiftung, hält deren Einrichtung dennoch für dringend notwendig, zumal „es bis zu einer Regelung des Bundes noch Jahre dauern kann und man die Entschädigungsfrage schließlich nicht so lange diskutieren kann, bis sie sich biologisch löst“.

Die Kölner SPD-Fraktion, die schon 1987 vom Unterbezirksparteitag aufgefordert worden war, Wege für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter zu finden, will nun das städtische Gutachten abwarten. Die Kölner Grünen dagegen wollen ein eigenes Gutachten zur „kommunalen Entschädigung“ in Auftrag geben.

Jochen Arntz

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