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Unnützer Schutzraum-betr.: "Zehn Millionen für den Ernstfall an der Wupper", taz vom 1.2.90

betr.: „Zehn Millionen für den Ernstfall an der Wupper“,

taz vom 1.2.90

Zehn Millionen Mark für den Ernstfall an der Wupper - soviel stellt die Bundesregierung zur Renovierung der alten Bunker in der Stadt Wuppertal bereit. Das sind 1.200 Mark für jede/n SteuerzahlerIn Wuppertals.

Es ist wirklich unglaublich, wie die Regierung hier mit unseren Steuergeldern umgeht. Das Geld ist echt zum Fenster hinausgeworfen, da keiner der Bunker wirklichen Schutz vor Chemie- oder Atomunfällen bieten kann. Anstatt sich auch hier Gedanken über die Abrüstung zu machen, geht es dabei um eine klare Aufrüstungsmaßnahme. Die renovierten Bunker sollen uns vorgaukeln, wir wären für den Ernstfall geschützt. Das läßt den Eindruck entstehen, Kriege wären wieder führbar.

Das Geld, das hier für die Renovierung der Bunker verschwendet wird, wird in Wuppertal dringend für andere Zwecke, wie zum Beispiel den Wohnungsbau, gebraucht. Deshalb kann die Forderung an die Regierung nur lauten: Abriß der Bunker zugunsten des Neubaus von dringend gebrauchten Wohnungen!

Für den Kreisverband Wuppertal der Grünen: Inge Schreiber

(...) In Münster war die Wiedernutzbarmachung von Bunkern im letzten Jahr aktuelles Thema geworden. Die Ratsbeschlüsse von 1979 sollten in die Tat umgesetzt werden, und die Hochbunker des Zweiten Weltkrieges sollten genauso wie jetzt in Wuppertal aus ihrem Schlaf erweckt werden. Doch in einem Stadtviertel hatten die Stadtväter und Stadtmütter die Rechnung ohne die dort ansässigen Friedensgruppen gemacht. Diese machten der Bevölkerung des Stadtteils, für die dieser Bunker gedacht waren, die Widersinnigkeit des Projektes klar. Nicht nur junge Menschen, auch viele ältere BürgerInnen, die im Zweiten Weltkrieg in eben diesem Bunker Schutz gesucht hatten und schon einmal enttäuscht wurden, als eine Bombe in das Dach einschlug und mindestens 68 Menschen das Leben kostete, erzürnten sich. Auch alle Kirchen des Stadtviertels (sogar die katholischen) schlossen sich mit einer Erklärung an den Rat den Protesten an.

Eine Unterschriftenaktion machte den großen Rückhalt, den die Initiativen in der Bevölkerung hatten, deutlich.

Bei einer BürgerInnenversammlung mußte der OB schließlich erkennen, daß mit dem Ausbau des Bunkers der soziale Friede im Stadtteil gefährdet sei. Zu diesem Zeitpunkt war das Baumaterial schon vor dem Bunker gestapelt. Schließlich nutzte auch das Ablehnen der Zuständigkeit der PolitikerInnen nichts mehr; der nicht abnehmende Druck führte schließlich dazu, daß das Baumaterial wieder abtransportiert wurde, und der Rat der Stadt beschloß, den Ausbau des Bunkers nicht zu befürworten. Nach diesem Signal hatte auch der Bund sein Interesse verloren.

Nach diesem Sieg, insbesondere des ökumenischen Friedenskreises, wird nun eine sinnvolle Nutzung geplant. Der Bunker soll in Besitz eines Trägervereins „Mahn- und Begegnungsstätte Schützenhofbunker“ gehen, der ihn unterhält. Ausstellungen über den Luftschutz im Zweiten Weltkrieg, über FremdarbeiterInnen in Münster sowie wechselnde Ausstellungen zum Thema Frieden sind geplant. Ein Raum soll Schulklassen dienen, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, und Musikgruppen werden die dicken Wände nutzen können, um ohne Streit mit NachbarInnen proben zu können. Inwieweit diese Ideen umgesetzt werden und weitere hinzukommen, entscheidet sich in nächster Zeit; aber eins ist sicher: Der Schützenhofbunker in Münster wird nicht wieder Sicherheit vorgaukeln, sondern der Friedensarbeit der Bevölkerung in diesem Viertel dienen.

Ich hoffe, auch in Wuppertal finden sich Menschen, die weder für 2,2 Prozent noch für 100 Prozent der Bevölkerung einen unnützen Schutzraum akzeptieren.

Ralph Audörsch, Münster

Der Artikel über die in Wuppertal anstehende Reaktivierung von Weltkriegsbunkern vermittelt in mehrfacher Hinsicht ein unzutreffendes Bild.

1. Wie leider so viele Veröffentlichungen zum Thema Zivilverteidigung folgt er dem irreführenden Motto: böser Bund kritisch-hilflose Kommune. Tatsächlich aber werden heute, wenn man von theoretisch möglichen Reaktivierungen in bundeseigener Regie einmal absieht, Bunker nur gebaut oder wieder hergerichtet, sofern die Kommune (beziehungsweise deren Verwaltungsspitze) vorher zugestimmt hat und der Stadtrat pennt! Beides war hier offenbar der Fall, was für eine „atomwaffenfreie Zone“ um so peinlicher ist.

Das Bundesinnenministerium bestätigt immer wieder, daß schon aufgrund der Menge der Bau- beziehungsweise Bezuschussungsanträge nur solche Projekte durchgezogen werden, wo kein Aufsehen durch politischen Widerstand zu befürchten ist.

Derartigen Reaktivierungen liegt eine bei den Oberfinanzdirektionen/Bundesbauverwaltung geführte „Prioritätenliste“ zugrunde, die aus Anmeldungen durch die Länder-Innen- beziehungsweise Bauministerien gespeist wird. Zuvor müssen sich die betroffenen Kommunen regelmäßig in einem förmlichen Vertrag bereit erklären, das Objekt nach Herrichtung in eigene Verwaltung und Unterhaltung zu übernehmen und die hierfür erforderlichen personellen und sächlichen Verwaltungskosten zu tragen. Mögen die braven Wuppertaler StadträtInnen daraufhin ihre Verwaltung (Amt 38 beziehungsweise ZA 14) einmal in die Mangel nehmen.

2. Soweit in diesem Artikel der Eindruck erweckt wird, der Bund übernehme alle Kosten und im städtischen Haushalt tauchten die Klötze nicht auf, so trifft dies aus dem oben genannten Grund nicht zu.

3. Ebensowenig hat die Stadt die Freiheit, die Bunkerräume „an Jazzbands, Heimatvereine und KünstlerInnen“ weiterzuvermieten. Da hat immer noch der Bund den Daumen drauf und verweist gerne darauf, daß die eigentliche (Kriegs -)Zweckbestimmung nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Wer über kommunale Widerstandsmöglichkeiten gegen Zivilverteidigungsmaßnahmen mehr erfahren möchte, den/die verweise ich auf die sehr lesenswerte Broschüre Der Tag X hat schon begonnen (3.Auflage 1989, 82 Seiten, 6 DM), zu beziehen über Die Grünen, Postfach 1422, 5300 Bonn 1.

Christian Busold, Hamburg

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