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Beinharte Elfmeter

■ Kein Rollstuhl-Rührstück: „Mein linker Fuß“ Jim Sheridans Film über einen Körperbehinderten

Ein linker, leicht behaarter Fuß legt eine Schallplatte auf den Plattenteller. Die Bewegung ist ungelenk und doch geübt. Das Zusehen erfordert Geduld. Die Plattenhülle ist zum Greifen nah. Musik ertönt. Der Vorspann: Mein linker Fuß, ein Film von Jim Sheridan, nach der gleichnamigen Autobiographie von Christy Brown, Hauptdarsteller Daniel Day Lewis.

Ein Lebensweg wird in Rückblenden erzählt. Er beginnt im Dubliner Arbeitermilieu der 30er Jahre, führt in die Enge eines schmuddeligen Reihenhauses. Die 15köpfige Familie Brown ist arm, aber herzlich. Trotzdem bleibt der behinderte Christy ein Außenseiter. Am Anfang liegt er unter der Treppe, kann sich nicht rühren, kann nicht sprechen.

Mit sieben entdeckt er die Beweglichkeit seines linken Fußes und rettet seiner Mutter das Leben. Erst als er, mit einem Stück Kreide zwischen den Zehen, „Mother“ auf den Boden kritzelt, wird er ernst genommen. Er lernt sprechen, schreiben und lesen. Zwischendurch überzeugt er die anderen Kinder mit einem beinharten Elfmeter. Als Jugendlicher beginnt Christy zu malen, später schreibt er seine Autobiographie. Kurz vor Happy-Ende überreicht er seiner zukünftigen Frau eine rote Rose - im Rollstuhl sitzend, mit dem linken Fuß. Am Schluß hat es Christy geschafft, er ist erfolgreich, wird akzeptiert, integriert und geliebt trotzdem oder gerade weil er behindert ist.

Mein linker Fuß berichtet von einem außergewöhnlichen Leben, ohne eine verklärende Aufsteigergeschichte zu konstruieren. Immer wieder wird Christys Aufstieg von Bildern unterbrochen, die von Mühe, Anstrengung und Selbstdisziplin erzählen. Immer wieder werden den kleinen Erfolgen Szenen des beschwerlichen Alltags, kläglichen Scheiterns und der Verzweiflung gegenübergestellt.

Regisseur Jim Sheridan hat kein mitleiderregendes Rollstuhl -Rührstück inszeniert. Mit Hilfe seines Hauptdarstellers Daniel Day Lewis ist es ihm gelungen, den Menschen Christy Brown und nicht seine Behinderung in den Mittelpunkt zu stellen. Lewis erzählt mit seinem Gesicht von Christy Brown, dem introvertierten Exzentriker, hemmungslosen Charmeur, sturen Tyrannen und unbeholfenen Behinderten. Schwarz blitzen seine Augen, wenn er lügt; sie strahlen blau und unschuldig, als er flirtet. Bevor er über Moderne Kunst doziert, legt er die Stirn grüblerisch in Falten. Wenig später entgleitet das Gesicht, scheinbar unkontrolliert zucken Muskeln, er stammelt, während der Speichel tropft.

Michaela Lechner

Jim Sheridan: Mein linker Fuß. Nach der Autobiographie von Christy Brwon. Mit Daniel Day Lewis, Brenda Fricker. Irland 1989, 94 Min.

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