: Kooperation der Geheimdienste
Die Bundeswehr baut auf dem Gebiet der schleswig -holsteinischen 200-Seelen-Gemeinde Bramstedtlund zwischen Flensburg und Niebüll direkt an der dänischen Grenze eine der größten elktronischen Spionageanlagen der Bundesrepublik. Auf ehemaligem Weidegelände soll die Verteidigungsanlage „Kastagnette“ entstehen, ein Antennenfeld von 400 Metern Durchmesser, mit dem europa-, wenn nicht sogar weltweit jeglicher Funkverkehr belauscht und geortet werden kann. Baubeginn: 1990. Direkt betroffen von restriktiven Maßnahmen im militärischen Sicherheitsbereich der Anlage sind einige bäuerliche Betriebe der Gegend. Die Anlage reiht sich ein in zahlreiche weitere Lauschposten entlang der Grenze zur DDR und der CSSR oder in der bei Bonn.
In der vergangenen Woche betätigte sich der 'Spiegel‘ als Stichwortgeber der Bundesregierung, indem er berichtete, daß Stasi-Angehörige weiterhin die Telefonverbindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik abhörten. Scheinheilig wurde diese Information genutzt, um die konfuse Situation in der DDR weiter zu chaotisieren und die Regierung in Ost -Berlin weiter in die Deffensive zu drängen. Kein Wort fiel zu den eigenen Kontroll- und Abhörmethoden des Bundesnachrichtendienstes und der Bundeswehr; kein Wort zu den zahlreichen Abhörstationen und Einheiten zur elektronischen Kampfführung der Alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik und West-Berlin. Lediglich die Überwachung des Briefflusses aus der DDR soll Anfang dieser Woche eingestellt worden sein.
Zur Aktuellen Stunde des Bundestages in dieser Woche haben die Grünen der Bundesregierung weitergehende Fragen zu diesem Thema unterbreitet. Sie wollen wissen, ob die Bundesregierung bereit ist, im Rahmen der angestrebten Vertragsgemeinschaft mit der DDR jegliche nachrichtendienstliche Ausspähung einzustellen; und ob sie gewillt ist, darauf hinzuwirken, daß die Siegermächte des II.Weltkrieges ihre besonderen, vom Boden beider deutscher Staaten aus betriebenen nachrichtendienstlichen Aktivitäten aufgeben. Mitte der 70er Jahre wurde die elektronische Aufrüstung von Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst massiv vorangetrieben.
Die Deutschen wollten ihre militärische Stellung in Europa und in der Nato stärken. Deshalb sollte - neben anderen Rüstungsanstrengungen - hochwertige Aufklärungsware produziert werden können, auch im Austausch mit den USA. Obwohl US-amerikanische Abhörexperten, Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst elektronische Lauschanlagen teilweise gemeinsam benutzen, bekamen und bekommen die Bundesdeutschen nur den Teil der Informationen aus den Lauschangriffen, der den Amerikanern opportun erscheint. So zum Beispiel Informationen über die Rolle der Firma Imhausen beim Aufbau einer Giftgasfabrik im libyschen Rabta oder die Aufdeckung der Auslandsaktivitäten der MBB-Raketenbauer in Argentinien, Ägypten und Irak.
Auf elektronische Abhöraktionen gingen jene Informationen zurück, die die Bundesregierung veranlaßten, Gaddafi als „Drahtzieher“ des Bombenanschlages auf die Westberliner Diskothek „La Belle“ zu bezeichnen, bei dem im April 1986 drei Menschen ums Leben kamen. Die US-Regierung nahm ihre Täterversion zum Anlaß für einen Raketenangriff auf Wohnhäuser in Tripoli und Bengasi. Die angeblichen Beweise der Amerikaner reichten der Westberliner Justiz nicht einmal für die Eröffnung eines Prozesses gegen zwei als Täter bezeichnete Personen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin wurden im Dezember 1988 ergebnislos eingestellt.
Heute gesellt sich ein neues Argument für den Unterhalt von Lauschstationen hinzu. In Zeiten der Rüstungskontrolle und Abrüstung sind diese Stationen ein Mittel zur Überprüfung der von beiden Seiten verabredeten Maßnahmen.
Und auch für die Zukunft - für eine etwaige Auflösung der Blöcke - bauen zumindest die Geheimdienste von Ost und West bereits vor. Ende Dezember 1989 wurde von sowjetischer Seite bestätigt, was Fachpublikationen wie 'Intelligence Newsletter‘ schon länger behaupten, daß sowjetische Geheimdienste bei der Bekämpfung des Drogenhandels, des Terrorismus und des Schmuggels mit westlichen Geheimdiensten, darunter der CIA, zusammenarbeiten.
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