: Politkrawalle in Karatschi
■ Über vierzig Tote beim Generalstreik der Mohajirbewegung / Ausgangssperre in der pakistanischen Hafenstadt / Benazir Bhutto gerät in die politische Schußlinie
Karatschi (afp/taz) - In der südpakistanischen Hafenstadt Karatschi ist am Mittwoch abend die Zahl der Opfer bei den Schießereien zwischen Polizei und Demonstranten im Anschluß an einen Generalstreik auf 41 Tote und 130 Verletzte gestiegen. Offiziellen Angaben zufolge waren die meisten Opfer „unschuldige Zivilisten“, unter ihnen auch sechs Ärztinnen, die erste Hilfe leisten wollten. Die Behörden verhängten über das Zentrum eine Ausgangssperre. Frau Bhutto hat die Auseinandersetzungen inzwischen verurteilt und der MQM vorgeworfen, sie habe sich nicht an ihr Versprechen gehalten, den Streik mit friedlichen Mitteln zu führen.
Zu dem Generalstreik aufgerufen hatte die oppositionelle Muhajir-Qaumi-Bewegung (MQM), der nach der Trennung von Indien nach Pakistan eingewanderten Moslems. Sie beschuldigte die Pakistanische Volkspartei (PPP) von Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, einige ihrer Mitglieder entführt und brutal behandelt zu haben. Tatsächlich hat die PPP-Regierung in jüngster Zeit wiederholt Razzien durchgeführt und dabei auch Waffen in Besitz von MQM -Anhängern sichergestellt. Einerseits ruft die Opposition nach Recht und Ordnung, wenn aber dafür gesorgt wird, schreit sie um Hilfe, kommentierte jüngst eine pakistanische Zeitschrift. Muhajir-Qaumi-Führer Altaf Hussain hatte seine Anhänger am Dienstag abend aufgerufen, sich „physisch und geistig“ auf einen Streik vorzubereiten und auf „Akte des Terrorismus“ von Seiten der Pakistanischen Volkspartei zu reagieren.
Vor vierzehn Monaten noch war Benazir Bhutto mit Unterstützung der Mohajirbewegung an die Macht gekommen, nachdem die Regionalpartei des Sindhs im vergangenen Herbst ihr Bündnis mit der PPP aufgekündigt hatte, stand der hochschwangeren Premierministerin Anfang November ein Mißtrauensvotum ins Haus, aus dem sie gestärkt hervorging. Seit der Geburt ihrer Tochter Ende Januar hat sich die erste weibliche Ministerpräsidentin eines islamischen Staates nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt - ein Machtvakuum, das ihre fundamentalistisch orientierten Gegner nicht ungenutzt lassen wollen. Bereits in der brisanten Kaschmirfrage trieb es die „muslimischen Brüder“ der indischen Sezessionisten auf die Straße. Im Sindh haben die gewalttätigen Ausschreitungen der Mohajirs bereits Tradition. Arbeitslosigkeit und Versorgungsengpässe in der Acht-Millionen-Metropole, vor allem aber die vermeindliche Benachteiligung der Mohajirs gegenüber alteingesessenen Sindhis und den neuen Zuwanderern sorgen für ein jederzeit mobilisierbares Konfliktpotential.
SL
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