: Metallarbeitgeber-Offerte: wenig Geld, viel Arbeit
VMI bietet fünf Prozent mehr Lohn an und erteilt klare Absage an die 35-Stunden-Woche / Samstag soll Regelarbeitstag werden BA-Vizepräsidentin Engelen-Kefer trat trotz Verbots auf IGM-Konferenz auf / BA-Chef Franke strich ihr kurzerhand den Urlaub ■ Aus Stuttgart Erwin Single
Bei den Tarifverhandlungen in der Metallindustrie liegt seit gestern das erste Angebot der Arbeitgeber auf dem Tisch: Fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt sollen die Arbeitnehmer Nordwürttembergs und Nordbadens künftig erhalten, bei einer Laufzeit von 15 Monaten. In der dritten Verhandlungsrunde in Fellbach steckte der baden-württembergische Verband der Metallindustrie (VMI) gleichzeitig noch einmal seine Position für einen neuen Manteltarif ab.
Eckpunkt der Arbeitgeber-Forderungen: eine größere Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Der VMI verlangt eine Beibehaltung der 37-Stunden-Woche, also keine weitere Arbeitszeitverkürzung, will aber gleichzeitig erreichen, daß für bestimmte Arbeitnehmergruppen eine längere regelmäßige Wochenarbeitszeit vereinbart werden kann, wenn dies die betrieblichen Verhältnisse erfordern. Insbesondere qualifizierte Fachkräfte sollen dadurch länger arbeiten und so den vom VMI immer wieder beklagten Facharbeitermangel ausgleichen. Der Samstag soll künftig überall dort als Regelarbeitstag einbezogen werden können, wo dies zu einer effektiveren Auslastung moderner Produktionsanlagen oder zur Anpassung an Marktbedingungen erforderlich ist. VMI -Verhandlungsführer Dieter Hundt stellte jedoch klar, daß von einer Samstagsarbeit nicht alle Unternehmen und Abteilungen und auch nicht alle Samstage betroffen seien. Und: zur Erweiterung notwendiger Betriebsnutzungszeiten schlägt der VMI vor, die Regelung von Schichtarbeit zu erleichtern. Kategorisch abgelehnt haben die Arbeitgeber auch eine Senkung der Überstunden: Der zulässige Rahmen von bis zu monatlich 20 Überstunden soll weiterhin ausgeschöpft werden.
Die Arbeitgeber wollen bei ihren Forderungen hart bleiben. Die wesentlichen Punkte seien mit den übrigen Arbeitgebern im Bundesgebiet abgestimmt, erklärte Dieter Hundt am Dienstag. Eine einheitliche Linie des VMI liegt also vor: Die Positionen dürften somit auch bei den nächsten Verhandlungsterminen in den übrigen Tarifbezirken feststehen.
Am Dienstag hatten beide Tarifparteien noch einmal öffentlich ihre Argumente für die Verhandlungen präsentiert. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen steht der Fachkräftemangel. Nach VMI-Berechnungen fehlen allein im Südwesten 32.000 FacharbeiterInnen. Die Gewerkschaften bestreiten Qualifikationsengpässe zwar nicht mehr, werfen den Arbeitgebern aber vor, sie hätten die Lücke durch zu geringe Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung selbst mit verursacht. Auf einer Fachkräftekonferenz der IG-Metall -Bezirksleitung, zu der rund 500 GewerkschaftlerInnen, aber auch Fachleute aus Arbeitsverwaltungen, Wissenschaft, Bildung und Politik am Dienstag nach Leinfelden-Echterdingen kamen, wurde der Fachkräftemangel als Argument gegen weitere Arbeitszeitverkürzungen zurückgewiesen.
Die Veranstaltung hatte mit einem handfesten Skandal begonnen: Eine der geladenen ReferentInnen, die Vizepräsidentin der Bundesanstalt für Arbeit (BA) Ursula Engelen-Kefer (SPD) hatte von ihrem Vorgesetzten Heinrich Franke (CSU) Auftrittsverbot erhalten. Der VMI hatte nämlich gegen ihre Teilnahme heftig protestiert. Der VMI hielt dies für eine Einmischung in die laufenden Tarifverhandlungen und für einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht der BA -Beamtin. VMI-Hauptgeschäftsführer und gleichzeitig stellvertretendes BA-Vorstandsmitglied, Herfried Heisler, begründete seine Beschwerde damit, er halte den Auftritt Engelen-Kefers für „unakzeptabel“, da er nicht der Information, sondern der „Unterstützung gewerkschaftlicher Positionen dienen soll“. Ursula Engelen-Kefer kam dennoch nach Leinfelden - allerdings privat. Präsident Franke ließ ihr daraufhin auf der Veranstaltung nachträglich ausrichten, ihr eingereichter Urlaub sei nicht genehmigt. Der VMI sah sich in seinen Befürchtungen bestätigt: Die Teilnahme der Vizepräsidentin an der IG-Metall-Veranstaltung beweise die „Sorge“ des VMI, daß sie sich als Person, SPD-Mitglied und Vorstandskandidatin des DGB in gewerkschaftliche Aktionen einbeziehen lasse. Die IG-Metall konterte empört: In einer Resolution der Fachkräftekonferenz wurde das Vorgehen Frankes scharf kritisiert und dem VDI „üble Machenschaften“ vorgeworfen.
Ursula Engelen-Kefer zeigte sich von den Vorgängen wenig beeindruckt. Sie forderte Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam auf, den in den kommenden Jahren steigenden beruflichen Anforderungen und dem Fachkräftemangel durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zu begegnen. IG -Metall-Bezirksleiter Walter Riester präsentierte gleich einen konkreten Vorschlag: Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen gemeinsam mit Unterstützung der Landesregierung eine „Clearing-Stelle“ einrichten, die einen Erfahrungsaustausch über bestehenden Qualifizierungsbedarf und notwendige Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt.
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