: Rechte für Polen gefordert
■ Polnischer Sozialrat fordert Altfallregelung für Polen, die vor dem 1.12.89 eingereist sind / Viele Ausländer haben Angst, in deutsch-deutscher Euphorie unterzugehen
Mit vier Forderungen zur Verbesserung der Lage von etwa 5.000 Polen, denen möglicherweise eine Ausweisung aus Berlin droht, ging gestern der Polnische Sozialrat an die Öffentlichkeit. Hans-Peter Meister, Sprecher der Organisation, forderte eine umfassende Altfallregelung für Polen, die vor dem 1. Dezember 1989 eingereist sind und noch keine fünf Jahre in Berlin leben. An zahlreiche Polen waren seit Dezember Ausreiseaufforderungen verschickt worden, als die Innenverwaltung begann, die neue „Weisung“ für Einreisende aus Ostblockstaaten umzusetzen. Grundlage war ein Beschluß der Innenministerkonferenz vom Arpil '89, demzufolge auch ehemalige Asylbewerber aus Ostblockstaaten abgeschoben werden sollten, was bis dahin juristisch nicht möglich war. Obwohl die Weisung letzte Woche erst einmal wieder ausgesetzt wurde, ist die Unruhe unter den etwa 20.000 Polen in der Stadt nach wie vor groß.
Der Polnische Sozialrat forderte auch eine generelle Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Polen und die Möglichkeit der selbständigen Arbeitsaufnahme. Von den 21.170 beim Statistischen Landesamt registrierten Polen haben nach Angaben Meisters lediglich 2.474 ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Es bestehe die Direktive beim Senat, keine Verfestigung des Status von Polen zuzulassen. Darüberhinaus forderte der Sozialrat für eine Übergangszeit bis zur Arbeitserlaubnis Sozialhilfe und finanzielle Hilfe für Rückkehrwillige.
Der Vorsitzende des Polnischen Sozialrats, Witold Kaminski, beklagte, daß viele Deutsche es sich bei der Beurteilung der Lage in Polen zu einfach machten. Zwar bestehe kein akuter Vertreibungsdruck mehr, es gebe aber kaum Chancen auf Wohnung oder Arbeit. Kaminski charakterisierte die Ängste vieler Ausländer, die befürchten, in der allgemeinen deutsch -deutschen Euphorie vergessen zu werden: „Wenn die deutsch -deutschen Probleme auf dem Rücken von ethnischen Minderheiten ausgetragen werden, ist das Wiedervereinigung im schlechtesten Sinne.“
kd
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