: James Dean auf preußisch
■ DDR-Tresorfilme im Forum: „Denk bloß nicht, ich heule“ von Peter Vogel
Peter hat in einem Aufsatz geschrieben: „Ich brauche die Republik nicht, und die Republik braucht mich nicht.“ Deshalb fliegt er von der Schule. Also lungert Peter herum und träumt davon, Astronaut zu werden. „Von Beruf Halbstarker“, beschreibt er sich selbst: schlaksige Gestalt, lässiger Gang, runtergezogene Mundwinkel. Eine typische 60er -Jahre-Filmfigur - James Dean auf preußisch. Denk bloß nicht, ich heule beginnt denn auch mit ein bißchen Twist und Beat und Aufbruchstimmung, hübschen Mädchen zum Hinterhergucken und dem begehrten Motorrad im Schaufenster. Die schönste Szene findet in der Schule statt. Auf dem Weg zum Rektor begegnet Peter einer Mädchenklasse, die gerade vom Sportunterricht kommt. Alle laufen sie zum Anfassen nah an ihm vorbei, so viele nackte Beine, soviel Haut, soviel wippende Pferdeschwänze, Peter weiß nicht, wohin er schauen soll. Eigentlich hätte er sie gern alle und nicht bloß eine. Die eine heißt Anna, Anna trägt noch Zöpfe und schreibt heimlich Gedichte über die Sterne: Schließlich sind wir in Weimar. Peter kauft ihr Pralinen, „in fünf Pralinen werde ich dich küssen“, sie hat das noch nie gemacht, und nachts baden sie im Teich, sie schämt sich, weil sie noch keine Figur hat. Schöne kleine Szenen über Verliebtheit mit 15 und daß man die erst mal lernen muß.
Aber Denk bloß nicht, ich heule hat leider Wichtigeres im Sinn als die Probleme der Teenies. Es geht um Heuchelei und Ehrlichkeit, um Reformen im Schulwesen, und - wie bei fast allen Tresorfilmen - um die Erneuerung des Sozialismus. Symbolisch, versteht sich: Die Gespräche zwischen Peter und Anna finden wie zufällig an der Gedenkstätte in Buchenwald statt, Treffpunkt der Halbstarken ist ein ehemaliges Nazi -Gebäude. Peter hat eine Krise, weil sein Vater gerade gestorben ist, der war überzeugter Kommunist und deshalb aus der Partei geflogen. Annas Vater ist ein ruppiger LPGler, aber eigentlich ein sanftes Lamm, denn er saß im KZ und kann seitdem niemanden mehr schlagen. Seine Tochter schlägt er am Ende dann aber doch. Das Credo des Films: Alle sind sie irgendwie Opfer, nicht nur die Jugend hat ein Recht auf Verständnis. Sogar der sture Rektor, ansonsten Verfechter von Ordnung und Disziplin, darf am Ende vom Krieg erzählen und daß er 25 Jahre alt war, „als ich zum ersten Mal das Wort Menschlichkeit“ hörte.
Denk bloß nicht, ich heule plädiert leider doch nicht für die Rebellion gegen die Erwachsenen, die notwendig ist, um erwachsen zu werden; der Film predigt Toleranz und, was sonst, den Sozialismus: Peter will wirklich Astronaut werden, also büffelt er freiwillig - eigentlich ein Musterknabe. Schade, daß die Szene mit der Mädchenklasse nur schmückendes Beiwerk ist.
chp
Peter Vogel: Denk bloß nicht, ich heule, mit Peter Reusse, Jutta Hoffmann (in einer Nebenrolle), DDR 1965, 91 Min.
13.2. Delphi, 16.30
14.2. Arsenal 20.00
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