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Was mich bewegt

■ Eine Randbemerkung

Warum ich ins Kino gehe? Aus Neugier. Ich habe Lust zu sehen, was ich nicht kenne. Ich möchte, daß mir etwas gezeigt wird. Mein kindlicher Wunsch wird selten befriedigt. Dabei geben sie sich solche Mühe, vor allem die sogenannte independent Filmmakers Bail Jumper von Christian Faber zum Beispiel: Gewitter, Erdbeben, ein Flugzeugabsturz, Überschwemmung, Flutwelle, ein Meteorit auf dem Highway, ein Tornado und freistehende Eier, Traumsequenzen und TV-news en masse. Und das alles mit Eszter Balint, der Frau von Jarmuschs Stranger than paradise. Aber Faber interessiert sich nicht für ihre schmalen Handgelenke, für ihre kerzengerade, hauchdünne Statur und das weiße Gesicht mit den ausgebleichten Sommersprossen. Er ist abonniert auf das Surreale, auf das sensationell andere. Er will mich fangen und verliert genau deshalb.

Am Nachmittag, ebenfalls im Panorama, armenische Dokumentarfilme. Die Jahreszeiten von Artavazd Peleschijan, 29 Minuten lang. Armenische Bergbauern treiben ihre Schafe ins Tal, hunderte von Schafen und die Kamera mittendrin: eine Masse Tier. Ein reißender Bergbach, der Bauer springt in den Wasserfall, das Schaf hält er fest, die Strömung reißt sie weg, der Mensch und das Tier tauchen auf und wieder weg, überschlagen sich von Neuem und fassen Fuß. Widerstand ist zwecklos, nur so kommen sie durch den Fluß. Im Winter müssen die Schafe den verschneiten Berg hinunter, die Bauern rutschen auf ihren Hintern den steilen Hang hinab, in rasendem Tempo, jeder ein Schaf auf dem Schoß, sie purzeln und rollen, ein Halten ist nicht möglich, aber keiner verliert sein Schaf.

Nur ein bißchen Alltag in Armenien, ein bißchen Mensch und Natur. Aber zugleich sind es Bilder von der Schwerkraft, von der Notwendigkeit, sich bewegen zu lassen. Das hat mich bewegt.

chp

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