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Gefrorene Optik

 ■ S T A N D B I L D

(Weltweit, West 3, Dienstag 20.15 Uhr) Bilder, bewegt. Bewegende Bilder (bebilderte Bewegung etc., d.S.). Ausdruck stummen Entsetzens. Fokussierend und verwackelnd fährt die Kamera hin und her, sucht zwischen fliehenden Gestalten, schießenden Polizisten den Augenblick auf den Punkt zu bringen. So war es in den 50er Jahren in Südafrika, zur Zeit der ersten großen Widerstandkampagnen gegen die Apartheidsgesetze, so war es in den 60ern nach der Verhaftung Nelson Mandelas, so war es später nach dem Aufstand von Soweto und den Bruderkämpfen in Crossroads. Und immer war das Fernsehen dabei, lieferte die Sequenzen zur Stillung des täglichen Informationshungers. Das vorerst letzte Bild zur Geschichte der schwarzen Befreiungsbewegung zeigt Nelson Mandela Hand in Hand mit anderen Führern des ANC, im Stadion von Soweto, singend: „Gott segne Afrika ... und alle Menschen sollen gleich sein.“ Aber schon während dieses Mustermotiv für die Fernseharchive dieser Welt vorbeiflimmert, stellt sich beim Zuschauer das immer wiederkehrende Ritual der Wißbegier ein. Gerade weil die Bilder so stark sind, will man mehr wissen, jenseits der mythenbildenden Macht der Bilder die Frage nach dem Wie, Warum, Wodurch beantwortet wissen. Aber jedes Mal drängt sich die Tagesschausprecherin dazwischen, bricht dort ab, wo es hätte spannend werden können. Doch der Hintergrundbericht, der dieses Manko ausgleichen soll, operiert nach der gleichen Methode. So war es kein Zufall, daß Weltweit seinen materialreichen Halbstünder über die Geschichte des ANC mit den Bildern der Tagesschau begann ein deutliches Zeichen, daß hier nun das geleistet werden sollte, was in den Acht-Uhr-Nachrichten nie vorkommt - den Zusammenhang stiften.

Aber dann? Bilder, regungslos. Denn in aller Bewegtheit täuscht der Beitrag nur Bewegung vor. Der Prozeß jedoch, der die heutigen Veränderungen in Südafrika bewirkt hat, bleibt unterbelichtet, wenn nicht sogar ausgeblendet. Fassungslos bewegt sich der Reporter über den Markt von Johannesburg und versteht gar nicht, daß nach all den brutalen Szenen der Demonstrationsgeschichte, die er zuvor gezeigt hat, Schwarze und Weiße nebeneinander einkaufen gehen - eine multirassische Enklave inmitten des Apartheidregimes. Die Kamera sieht hin und schüttelt innerlich den Kopf (nicht die Füße, wohlverstanden, d.S.). Wie konnte es dazu kommen? In ihren eigenen Bildern findet sie diese Entwicklung nicht. Sie hat immer treu aufgezeigt, was sich vor ihrer Linse abgespielt hat, aber sie hat nur das mitgenommen, was sich in einer Minute Tagesschau spektakulär zeigen läßt - also tränengasverräucherte Hetzjagden. Bewegte Bilder, unbewegt. Sie zeigen zugespitzte, aber statische Augenblicke, die Beziehungen zwischen den Dinge ausschließen.

Christof Boy

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