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Entsorgungschaos in Berlin

■ Der von DDR-Umweltminister Diederich überraschend verhängte Giftmüllstopp tritt heute in Kraft Umweltbehörde hangelt sich bei der Entsorgung von Woche zu Woche

Berlin (taz) - Ab heute tritt das Westberliner Entsorgungschaos in Kraft. Der von DDR-Umweltminister Diederich verkündete Stopp für weitere Giftmüll-Ablagerungen in der undichten DDR-Deponie Vorketzin gilt ab Donnerstag, 24 Uhr. Bis zuletzt hatte der Westberliner rot-grüne Senat auf die harte Linie gesetzt und durch Umweltsenatorin Schreyer erklären lassen, daß es die Ostberliner Entscheidung nicht akzeptiere. Doch Diederich ließ sich nicht einschüchtern. Mit den Protesten der Umweltgruppen im Rücken, die ihm ihrerseits ein Ultimatum gesetzt und neue Blockaden angedroht hatten, ist Diederich bei seinem Votum geblieben.

Ursprünglich hatte der neue Umweltmann in Ost-Berlin noch zugesagt, die marode Deponie bis 31.März offenzulassen. Doch nach weiteren Verhandlungen mit Senatsvertretern und der Entsorgungsfirma „Berlin Consult“, in denen von Westberliner Seite „hart verhandelt“ wurde, schaltete Diederich auf stur und verkündete zur Überraschung aller einen vorgezogenen Giftmüllstopp schon für diesen Freitag. Dem für die Westberliner Stadtreinigung verantwortlichen SPD-Senator Wagner wird nun vorgeworfen, durch seine unsensible Verhandlungsführung das vorzeitige Aus für den Giftmüllexport herausgefordert zu haben. Wagner hatte sich vor allem strikt geweigert, Ost-Berlin eine Zusage für die Einstellung der Giftfuhren bis zum 31.März zu geben. Jetzt geht schon ab 15. Februar nichts mehr.

Diederich hatte sich zuvor nochmals bei Gesprächen mit Anwohnern und Umweltschützern vor Ort über den Zustand der Deponie in Vorketzin informiert. Wie mehrfach berichtet, sickern hier durch die undichte Deponiedecke Gifte ins Grundwasser. Bei Messungen in mehreren Trinkwasserbrunnen waren erhebliche Grenzwertüberschreitungen nachgewiesen worden. Die DDR-Umweltgruppen haben Diederichs Entscheidung ausdrücklich „auch als Schritt der Selbstachtung“ begrüßt. Sie verlangen, daß von den Einnahmen aus der Hausmüllanlieferung, die von dem Stopp nicht betroffen ist, Gelder für die Sanierung der Deponie abgezweigt werden.

Die Hoffnungen der Berliner Stadtreinigung und der Umweltverwaltung konzentrieren sich inzwischen auf ein Zwischenlager der Firma „Alba“ in Reinickendorf, das für zwei Wochen (!) reichen könnte, um den Giftmüll der Stadt aufzunehmen. Dann sollen die ersten Segmente eines mobilen Tanklagers ihren Betrieb aufnehmen. Was mittel- und langfristig mit den Giftabfällen passieren wird, ist weiterhin unklar. Derzeit geht es in Berlin nur noch darum, über die nächsten Wochen zu kommen.

-man

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