: Mikros: Schneller Essen oder schneller Krebs?
■ Elektromagnetischen Wellen bedrohen die menschliche Gesundheit / Sind molekulare Veränderungen krebserregend?
„Ich nehm‘ meine nur zum Auftau'n“ säuselt der Mikrowellen engel mit Glockenstimme aus dem Fernsehen, während gleichzeitig die original Oil-of-Olaz faltenfreie Enddreißigerin dem verspäteten Sohnemann die dampfende Pizza vor die gierigen Augen schiebt. Eine Episode aus dem Traumland der perfekten Küche: Mit der Mikrowelle läßt sich schnell, unkompliziert, energiesparend und gesund kochen.
Das jedenfalls behaupten die Hersteller der durchschnittlich 500-700 Watt starken Verkaufsrenner, und die VerbraucherInnen scheinen ihnen zu glauben: 1987 gingen 700.000, 1988 gar 1,3 Millionen von den kleinen Küchenwundern über bundesdeutsche Ladentische. Doch der schöne Kochschein trügt: die Wirkung der elektromagnetischen Wellen auf die VerbraucherInnen und auf die Bestandteile der Speisen bergen bislang unerforschte Gefahren, die den Spaß am kulinarischen Wellenreiten gründlich verderben können.
Gefahrenquelle eins sind die sogenannten Leckstrahlungen, also die Strahlen, die durch die Dichtungen der Geräte aus dem eigentlichen Garraum nach außen gelangen und auf den menschlichen Körper wirken. Die offiziell vom Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) und dem Institut für Normung (DIN) festgelegte maximale Belastungsgrenze für Menschen beträgt fünf Milliwatt pro Quadratzentimeter
in einer Entfernung von fünf Zentimetern zum Gerät. Wie die Berliner Stiftung Warentest im Dezember 1988 feststellte, unterschreiten fast alle Geräte die magische Strahlenmarke: „Alle Testkandidaten (hielten) die erforderlichen Grenzwerte locker ein, das heißt, die Mikrowellen bleiben - ohne Gefahr für den Benutzer - im Garraum“ (Test 12/88).Also alles in Ordnung? Natürlich nicht.
Trotz VDE und DIN wirkt der flotte Garmacher nämlich auf die Körpertemperatur des Menschen. Grenzwert hin, Leck her: die sogenannte thermische Wirkung kann die menschliche Körpertemperatur bis zu einem Grad Celsius erhöhen. Der Verdener Humanbiologie Andreas Kühne spricht in diesem Zusammenhang von einer permanenten Streßsituation für den menschlichen Körper, die zu „Thermoregulationsstörungen“ führen können. Im Klartext: Die von den Mikrowellen ausgelösten Temperaturschwankungen „können Begleit symptome von Nervenerkrankungen, Hirnschäden, Hauterkrankungen, Stoffwechselstörungen oder Kreislauferkrankungen“ sein. Doch damit nicht genug: Die Wellen stehen in begründetem Verdacht, Veränderungen in der Gehirnsubstanz, genetische und entwicklungsbiologische Veränderungen zu bewirken. Kühne zitiert die zentrale These aus einemneuseeländi schen Forschungs bericht, daß “ elektromagneti
sche Felder das Leukämierisiko geringfügig erhöhen“.
Das Institut für Strahlenhygiene des Bundesgesundheitsamtes unterstellte dem Verdener Biologen , daß Thema in einer „spekulativen und wissenschaftlich nicht haltbaren Weise“ behandelt zu haben. Aufschluß geben könnten jedoch nur weitere Forschungsarbeiten, die das Bundesgesundheitsamt beispielsweise nicht durchführt.
Zweite Gefahrenquelle sind die molekularen Veränderungen in den Speisebestandteilen durch die Einwirkung der Mikrowellen. Auch hier entpuppen sich die Versprechungen der Industrie als haltlos: Die Mikros gehen nicht
besonders schonend mit Vitaminen, Eiweißen, Enzymen oder Fetten um. Auch im Geschmack läßt die Welle mitunter zu wünschen übrig: Fleisch bleibt trocken und geschmacksneutral, Gemüse wird runzelig. Und die Zeitschrift „Natur“ stellte fest: „Im Mikrowellengerät gegarte Kartoffeln büßen mehr ungesättigte Fettsäuren ein als die auf dem Herd gekochten Vergleichsproben. Dafür nimmt der Anteil der trans-Fettsäuren zu. Gerade diese Fettsäuren fördern jedoch möglicherweise die Krebsentstehung“ (2/88). Die unterschiedliche Garzeit verschiedener Speisesubs tanzen ermöglicht aber auch das Überleben von Salmonellen im
Mikrogewellten: Wenn die Gerichte zu früh aus dem Garraum genommen werden, tummeln sich die kleinen Kerle womöglich putzmunter auf der nicht ganz heißen Frikadelle. Bleiben die Speisen zu lang drin, können sie sich entzünden und verbrennen.
Ein internes Beratungspapier der Verbraucherzentrale kommt zu dem Schluß, daß „ein Mikrowellengerät für keinen Haushalt unbedingt notwendig“ ist. Was die Frage nach den Wirkungen elektromagnetischer Wellen betrifft, hält sie sich im Urteil zurück: „Zur endgültigen Klärung dieser Frage ist weitere Forschung nötig“. Markus Daschne
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