piwik no script img

„Gr. Karnevalsverein Rot-Weiß Bremen“

■ Seit 25 Jahren dürfen auch Nicht-RheinländerInnen in den Vorstand / Die 1. Vorsitzende steigt selbst in die Bütt

„Es muß ja nicht grad Köln sein

und auch nicht grad der Rhein,

denn auch bei uns in Bremen

kann man recht fröhlich sein...“

Hella Keller hat dieses Original Bremer Karnevalslied komponiert, getextet und mittlerweile auch auf Cassette gesungen. Für den Bremer Karneval tut sie noch mehr: Sie schneidert kostbare Funkenmariechen-Kostüme und hütet sie über Jahre wie ihren Augapfel. Sie steigt als Bremer Deern selbst in die Bütt. Sie schlägt im silberbronzenen Rolandkostüm, mit Ofenlack und Haarspray graumeliert, jedes Jahr einen anderen Bremer Mann zum Ritter. Die 55jährige ist 1.Vorsitzende des „Großen Kar

nevalsvereins Rot-Weiß Bremen e.V.“. Von Beruf ist sie aber eigentlich Politesse und seit vier Jahren im Innendienst als Sachbearbeiterin auf einer Meldestelle.

Die bremische Karnevalsgeschichte kennt Hella Keller bestens: Im Jahr 1829 führte der „Verein der Rheinländer“ den Karneval in Bremen ein. 1974 kam es zum Bruch. Denn die „Rheinländer“ weigerten sich trotz Nachwuchssorgen strikt, Nicht-Rheinländer in den Vorstand aufzunehmen. Daraufhin gründete Hella Kellers späterer Mann, ein gebürtiger Aachener, zusammen mit „fähigen Bremern und Sachsen“ den Verein „Rot-Weiß“. Und „Rot-Weiß“ hat seit

her das karnevalistische Monopol in Bremen. Auf mindestens 23 Auftritte in Bürgerhäusern, Altersheimen und Konzertsälen kommen die SängerInnen und TänzerInnen pro der Saison. Das bremische Element wird gepflegt: Beim Namen angefangen. Denn „Rot-Weiß“ steht für die Bremer Speckflagge. Die Paare stecken in rot-weißen Uniformen und selbst dem Funkenmariechen hat Hella Keller rot-weiße Litzen und Spitzen aufs schwarze Solokostüm aufgenäht; das „sieht immer wieder hübsch und schnuckelig aus.“ Der erweiterte Vorstand von „Rot-Weiß“ singt selbstverständlich „Original Bremer Karnevalslieder“. Daneben gibt es aber auch viel „Abklatsch aus Köln“, aber das gehört besser nicht in die Zeitung, findet Hella Keller.

„Rot-Weiß“ hat 130 Mitglieder. Viel mehr sollen es auch nicht werden, denn, so die 1. Vorsitzende, „es soll so sein, daß jeder jeden kennt. Wir wollen Freunde sein und nicht Mitglieder.“ Genaugenommen ist „Rot-Weiß“, so Hella Keller, „fast schon ein Familienclan“. Ihre Tochter Renate hat als 6jährige angefangen, sich vom Ersatz-Funkenmariechen zum Funkenmariechen vorzutanzen. Die 20jährige Verkäuferin trainiert zweimal in der Woche und sagt ganz klar: „Karnevalstanz ist Leistungssport.“ Sie bedauert, daß bisher nur Rock'n Roll als solcher anerkannt ist und daß die meisten immer noch meinen, Karnevalstanz sei „Rumhopsen“. Ihr Freund und Tanzpartner Stephan Maus sagt anerkennend: „Karnevalstanz ist anstrengender als

Fußball“. Hella Keller jedenfalls scheint sehr zufrieden, daß ihr künftiger Schwiegersohn auch aus der Karnevalsbranche kommt. Weiblichen Nachwuchs kriegt der Verein zur Zeit aus Polen und aus der DDR. Hella Keller: „Bei uns geht's nicht danach, ob eine treu deutsch ist. Karneval gibt's auf der ganzen Welt. In Rostock, in Stralsund...“ Aber wie ist Hella Keller selbst an den Kar

neval geraten? Das hängt mit einer Nachbarin zusammen. Die war Karnevalsprinzessin und ließ sich von Hella Keller zu den Auftritten kutschieren. Als nächstes sprang Hella Keller bei „Rot-Weiß“ als Kostümschneiderin ein. Dann fing sie an, „sich selbst darzustellen“: „Ich wollte als Kind schon immer Schauspielerin und Sängerin werden.“

Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen