: Totalverweigerer sucht Gnade
■ Rechtsmittel ausgeschöpft: Gnadengesuch gestellt
Jörn Ahrens, anerkannter Kriegsdienstverweigerer, hatte schon 13 Monate seines Zivildienstes abgeleistet, als ihm klar wurde: auch Zivildienst ist Kriegsdienst. Den aber, egal in welcher Form, lehnt er ab. Er verließ seine Zivildienststelle und wurde Totalverweigerer.
Nach einem Urteil des Amtsgerichts Hannover wurde Jörn Ahrens am 10. März 1989 zu sechs Monaten Knast ohne Bewährung verurteilt. Die Berufung dagegen wurde im Juli letzten Jahres verworfen, die Revision jetzt im Januar. Dadurch ist das Urteil rechtskräftig, und die Inhaftierung steht bevor. Nur eins kann Ahrens noch vor dem Knast bewahren: Das Gnadengesuch, das sein Anwalt Eckhard Klawitter beim Landgericht Hannover eingereicht hat. Das Gnadengesuch eines Hamburger Totalverweigerers wurde vor kurzem abgelehnt.
Je nach gerichtlich festgestellter „Glaubwürdigkeit“ wird mit Totalverweigerern unterschiedlich verfahren. Manche kommen mit einer „richterlichen Ermahnung“ davon, manche mit einer Geldstrafe, andere bekommen fünf oder zehn Monate mit oder ohne Bewährung - alle müssen jedenfalls mit einer zweiten oder sogar dritten Einberufung rechnen. Das Gnadengesuch auf Entlassung von Jörn Ahrens aus dem Zivildienst ist nach seiner Aussage das erste in Niedersachsen. Warum rechnen er und sein Anwalt sich dafür Chancen aus? Jörns Anwalt beruft sich in seiner Begründung auf die politischen Entwicklungen seit dem 9. November letzten Jahres. Er schreibt unter anderem in seiner Begründung: „Es wird nicht lange dauern, bis der Sinn einer allgemeinen Wehrpflicht auch von denen hinterfragt werden wird, die diese noch bis vor kurzem oder sogar bis jetzt für ein allgemein gültiges Dogma halten. ... Die Justiz in der Bundesrepublik Deutschland muß zur Kenntnis nehmen, daß bereits seit 1985 in der DDR Totalverweigerer nicht mehr verurteilt werden... Es kann keinen Gesichtspunkt geben, die Totalverweigerer in der Bundesrepublik schlechter zu stellen, ... als dies in der DDR der Fall ist.“ Zweites Begehren des Gnadengesuches: Die Strafe wenigstens bis zur Entscheidung über das Gnadengesuch nicht zu vollstrecken. Wenn dem Gnadengesuch bis zum 1. März nicht stattgegeben wird - und das ist eher wahrscheinlich - muß Jörn sich auf weitere gerichtliche Auseinandersetzungen einstellen. Denn er hat erneut eine Einberufung zum Zivildienst erhalten. Am 1. März soll er im Kreiskrankenhaus Bassum antreten. bea
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