: City-händler gegen Verkehrsinfarkt
■ Statistik: Immer weniger Kunden fahren mit Bahn in die Stadt / Gegen Autofreiheit - für Phantasie
Bausenator Konrad Kunick hat einen Wettpartner gefunden. Vor Wochenfrist hatte Bremens oberster Straßenbauer in der Bürgerschaft wetten wollen, daß die Innenstadt bis zum Jahre 2.000 autofrei sei und das auch noch mit Unterstützung der Einzelhändler. Die nun hielten bei einer Pressekonferenz am Samstag vormittag dagegen. „Das könnte ihn teuer zu stehen kommen“, meinte Karstadt-Chef Hans-Hinrich Blumenberg in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bremen-Werbung.
„Vorrang für den ÖPNV“ - dieses in der Stadtbürgerschaft beschlossene verkehrspolitische Ziel würde, so die Befürchtungen der Einzelhändler den „Exodus der City bedeuten“. Das versuchte Blumenberg mit einem ganzen Bündel von Zahlen zu belegen, die im Auftrag der „Arbeitsgemeinschaft der Mittel-und Großbetriebe“ alle vier Jahre erhoben werden. Danach kamen 1988 nur 36,4 Prozent der Kunden mit Bahn oder Bus in die Stadt (1980: 41 Prozent). Und die ÖPNV-Benutzer kauften zudem prozentual nur 30 Prozent vom Gesamtumsatz. Dagegen sind die 42,5 Prozent Auto -Kunden (1980 34,1 %) zu mehr als 60 Prozent am Umsatz beteiligt. Park§Ride-Kunden spielen bei dieser Erhebung, die per Kundenbefragung in mehreren Kaufhäusern ent
stand fast gar keine Rolle.
Nach diesen Zahlen hat sich auch die Struktur der Käufer in Obern-, Söge-, und Knochenhauerstraße geändert. Kurz gefaßt: Sie sind jünger geworden, haben zu zwei Dritteln maximal eine halbe Stunde Anfahrtsweg und kaufen immer gezielter hochwertige, teure Artikel. Die Schnäppchen-Käufer aus den Büros nebenan, die die Mittagspause nutzen, um eine Kleinigkeit zu erstehen, haben dagegen abgenommen. Und: Männer haben es inzwischen offensichtlich zu einem höheren Prozentsatz gelernt ihre Socken selbst zu kaufen.
Doch die Einzelhändler mochten nicht nur lamentieren. Blumenberg: „Wir sind lernfähig und gutwillig und wollen den Lebensnerv der Stadt bewahren.“ Und den sieht auch er durch einen Verkehrsinfarkt bei weiter steigender Automobilisierung bedroht. Plädoyer des Karstadt-Bosses: „Wir brauchen phantasievolle Lösungen.“ Seine Vorschläge hat sich Blumenberg dabei in anderen Großstädten abgekuckt. So sollte zum Beispiel überlegt werden, ob an ungeraden Tagen nicht nur Autos mit ungeraden Kennziffern in die Stadt fahren dürften und an geraden Tagen gerade Kennzeichen. Blumenberg: „Alles ins Auto, das kann kein Theman mehr sein.“
hbk
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