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JONNY IS GOOD

■ Gemischte südafrikanische Zulu-Band „Savuka“ spielte die Post-Apartheid

Zuerst konnte man am Sonntag im Metropol glauben, da spiele eine Vorband. Das klang so nach amerikanischem Mainstream -Rock, und hatte der Sänger nicht auch eindeutig einen US -Akzent? Außerdem, die tanzende Frau, die ab und zu afrikanische Refrains singen durfte, die war doch auf dem überall aushängenden Plakat der südafrikanischen Gruppe „Savuka“ gar nicht zu sehen gewesen! Doch irgendwann mußte ich einsehen, daß es sich tatsächlich um die sechsköpfige schwarz-weiße Rockband „Jonny Clegg&Savuka“, deren Name „Aufbruch“ bedeutet, handelt. In ihrem Zentrum steht der 37jährige Südafrikaner Jonny Clegg. Auf ihn, den Weißen, richten sich die Scheinwerfer, er spielt Gitarre und singt in Englisch, während der zweite (schwarze) Baßgitarrist Solly Ledwaba und die (schwarze) Sängerin (N.N.) Refrains in Zulu singen. Darüber thront der (weiße) Schlagzeuger Derek Debeer, links neben Clegg (schwarze) Trommeln unter Keith Mavuso. Und da sind noch Keith Hutchinson (Saxophon, Klarinette und Querflöte) und der Percussionist Dudu Zulu. „Jonny Clegg&Savuka“ ist ein Projekt, das von mir geleitet wird. Im Grunde genommen ist es ein Soloprojekt, das sich in eine Partnerschaft verwandelte. Für mich ist aber die Tatsache wichtig, daß ich die musikalische Kontrolle ausübe“, so Clegg in einem Pressesampler. Genauso hört sich die Musik anfänglich auch an: Kontrastprogramm, Dominanz des westlichen Einflusses, obwohl die Stimmen des Bassisten und der Sängerin schöner und kräftiger als die Cleggs sind; und die Percussions Dudu Zulus klingen wie eine lateinamerikanische Panflöte, und die Rhythmen lehnen an Reggae und Calypso an; die Texte schließlich sind poetisch und politisch, visionär und reformerisch. Bestes Exempel: der Titel One man, one vote aus der neuesten LP Cruel, Crazy, Beautiful World.

Worum kann es bei einer solchen Gruppe anders gehen als um Authentizität und Identität? Apartheid heißt Getrenntsein. Clegg verkörpert schon mit seiner biographischen Annäherung an die Kultur des südafrikanischen Zulu-Volkes die Utopie der Harmonie zwischen den Ethnien, ja das Modell kultureller Symbiose. Er nahm zu einer Zeit Kontakt mit schwarzen Musikern auf, lernte von ihnen und machte mit ihnen Musik, als der Auftritt schwarzer und weißer Musiker vor einem gemischten Publikum per Apartheid-Gesetz verboten war. „Am Wochenende trieb ich mich meist in schwarzen Arbeiter -Hostels (in den Schwarzen-Ghettos, d. Red.) herum. Tausende Männer verbrachten dort ihr Wochenende mit Tanzen, illegalen Wetten und dem Schwarzbrennen. Mich faszinierte dieses Leben“, so Clegg, der mit 14 Jahren von zu Hause ausriß und Gitarrenunterricht beim schwarzen Straßenmusiker Mntonanazo Mzila genommen hatte. Clegg trieb sich in den für Frauen und Weiße verbotenen Hostels herum und lernte Zulu-Musik und -Tänze. „Es dauerte zwei Jahre, bis ich den ersten beherrschte. Diese Tänze sind teilweise sehr aggressiv, aber sie stecken voller Psychologie und Philosophie.“ Zusammen mit seinem Freund Sipho Mchunu fand er doch immer wieder Nischen, in denen beide auftreten konnten: auf der Straße, bei privaten Festen oder an der Uni, wo Clegg studierte und später als Dozent Anthropologie lehrte. Ihre gemeinsame Gruppe „Juluka“ löste sich 1985 auf, als Sipho die Musik an den Nagel hängte und auf die Rinderfarm seines Vaters zurückkehrte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie trotz aller Schwierigkeiten sieben Alben veröffentlicht und waren sehr beliebt in Südafrika.

Die 1986 ursprünglich als Tourband zusammengestellte „Savuka„-Gruppe tritt nun zu einem Zeitpunkt ihre „One-World -Tour“ an, wo in Südafrika „Aufregendes“ (Clegg) passiert. Clegg selbst spannt den Bogen von Ost nach Süd: „1986 wurde bei uns der Ausnahmezustand verhängt. Um eines der vielen Townships zog die Polizei einen Stacheldraht. Wir nannten den damals 'Berlin Wall‘. Eure Mauer ist ja mittlerweile gefallen, unsere vielleicht auch.“

Um dieses Publikum muß die Band von Anfang an nicht buhlen. Es liegt ihr zu Füßen und tanzt bereits, als sich meine Füße aus Protest noch nicht rühren wollen. Doch peu a peu entfaltet sich dann ein musikalisch-kulturelles Wunder im Spannungsfeld von Kontrast und Kombination, von Symbiose und Fusion. Und ich ahne: „Savuka“ bricht jeden Abend neu auf und nimmt das Publikum mit. Die Lieder werden afrikanischer, Clegg singt in Zulu und tanzt mit Dudu Zulu. Er tritt einen Schritt zurück, und die Mitglieder treten hervor, bis sie auf einer Ebene stehen. Daß dies mit zwei Stücken geschieht, die ihre bisher auch in der Bundesrepublik bekanntesten sind, ist dabei egal. Ich meine Scatterlings of Africa und Asimbonanga, beides Auskoppelungen aus der Debut-LP Third World Child von 1987.

Asimbonanga - „Wir haben ihn nicht gesehen“ ist Nelson Mandela gewidmet. Als der nicht sichtbar im Gefängnis saß und es keine Möglichkeit gab, mit ihm in Kontakt zu treten. Das Lied in der Tradition des südafrikanischen A-capella -Chorgesangs ist wunderschön, der gemeinsame Gesang das Herzstück des Abends. Als Clegg dem Publikum zuruft „Nelson Mandela ist frei“, haben wir die Katharsis. Das war es denn auch: Das Publikum tanzte die Post-Apartheid.

P.S.: Weil Clegg seine Stimme schonen wollte, gab er keine Interviews. Ich hätte ihn gerne gefragt, wie N.N. heißt. Ob er in den Townships auch mit solch einem Equipment auftritt, warum er nicht die Zulu-Maultrommel spielte, die er so virtuos beherrschen soll, warum er seine Musik als „Township -Pop“ bezeichnet - was ich ganz gräßlich finde. Warum er nicht den Stock-Tanz gezeigt hat („Ich steche in einem Ritual den Stock in den Boden hinein, damit ich meinen Bruder nicht töte“). Ob er glaubt, die Zeit sei reif für all seine gegangenen KollegInnen, wie etwa Miriam Makeba, nach Südafrika zurückzukommen? Wie er die Zukunft Südafrikas sieht. Und ich hätte den Rest der Band gefragt, was sie von all dem hält.

Andrea Seibel

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