Turmbau zu Brüssel

Grenzen mögen fallen, Sprachbarrieren bleiben / Englisch als EG-Sprache hat kaum größere Chancen  ■  Mit dem SPRACHWIRRWARR auf du und du

Köln/Duisburg (dpa) - Als sich die hungrigen Nachkriegsdeutschen hauptsächlich von pappigem Maismehlbrot ernähren mußten, hatte dies eine kleine, aber folgenschwere Ursache: Ein Dolmetscher hatte im Hilfegesuch an die Amerikaner das deutsche Wort „Korn“ allzu unbedacht mit dem ähnlich klingenden „corn“ übersetzt, was schlicht „Mais“ bedeutet. Und wenn, wie auf einer Karikatur im Blatt des Vereins Deutscher Ingenieure unlängst zu sehen, der „Deutsche Michel“ den Begriff „Schraube“ benutzt, versteht der Brite schnell „Mutter“, der Franzose „Schraubhaken“, der Italiener „Karabinerhaken“ und der schwarzgelockte Karikatur -Spanier gar „Angelhaken“.

Auch wenn 1993 die Grenzschranken Europas fallen, wird ein Hindernis bestehen bleiben: Sprachbarrieren, so Wirtschaftsfachleute, können gerade in der exportorientierten Bundesrepublik wie eine Bremse wirken und der Wirtschaft Milliardenverluste bescheren. Betroffen sind besonders kleine und mittlere Unternehmen, die andererseits große Hoffnungen auf den Binnenmarkt setzen. Findige Zeitgenossen haben dies längst bemerkt und bieten ihre Dienste als „Terminologie-Broker“ an. Sie weisen den Weg zu der richtigen Terminologie, zu den Fachbegriffen, wenn etwa ein deutscher Produzent Küchengeräte auf den griechischen Markt bringen will, dänischer Teppichboden in Portugal verlegt werden soll.

Systematisch geht der vor zwei Jahren gegründete „Deutsche Terminologie-Tag e.V.“ (DTT), der aus dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) hervorgegangen ist, das Problem an: Es müssen nicht immer fremde Sprachen sein, wenn es zu einem regelrechten Wirrwarr im Gespräch der Fachleute kommt. Selbst innerhalb der Bundesrepublik gibt es etwa bei Technikern regionale Fachsprachen-Unterschiede, die auch auf die verschiedenen Ausbildungsorte zurückgehen. Auch von Firma zu Firma differieren die Fachvokabeln. Also, so unterstreicht Ursula Reisen (Köln), Vorsitzende des DTT und Leiterin des Sprachendienstes bei Rheinbraun, kommt es zunächst darauf an, die Terminologie innerhalb der eigenen Sprache festzuschreiben, diese Definition dann mit vergleichbaren Ausdrücken in der fremden Sprache zu vergleichen. Immer wichtiger wird natürlich auch die deutsch -deutsche Fachsprachen-Verständigung, die trotz politischer Entspannung noch die „Erblast“ jahrzehntelanger Isolation und ungleicher Entwicklung beispielsweise im Bereich von Technik oder Wirtschaft trägt.

Englisch als allgemeine EG-Umgangssprache hat nach Einschätzung von Ursula Reisen kaum eine größere Chance, da einerseits jedes Mitgliedsland eifersüchtig über die Verwendung der eigenen Sprache wacht, andererseits im Zusammenhang mit dem neuen Produkthaftungsrecht der EG jedes Produkt in der jeweiligen Sprache des Abnehmerlandes dokumentiert werden muß: „Eine ungeheure terminologische Aufgabe!“ Überhaupt bestehe jedes Produkt „zu einem wesentlichen Teil aus Papier“, wie Betriebsanleitung, Montageanweisung, Wartungshandbuch - und Textqualität entspricht hier leicht Produktqualität. Ursula Reisen: „Eine Tatsache, der bisher viel zuwenig Bedeutung beigemessen wird.“ Sachgerechte Terminologiearbeit sei durchaus kostenaufwendig, „aber noch teurer ist es, keine Terminologie zu erarbeiten“.

Eindämmen kann natürlich auch der Terminologie-Tag die Flut der tagtäglich in vielen Bereichen entstehenden Fachvokabeln nicht, aber zumindest das Problem aufzeigen, etwa die EG -Datenbank der Fachbegriffe „Eurodicautom“ in Luxemburg und Fachpublikationen als „verborgene Terminologiequellen“ bestmöglich im Auge behalten.