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Angst-Zinsen

 ■  McCASH FLOWS ORAKEL

Der Kurseinbruch am deutschen Rentenmarkt wird langsam dramatisch: zum Wochenbeginn büßten die festverzinslichen Papiere erneut 1,5 Prozent ein, was die durchschnittliche Rendite auf über 9 Prozent hievte. Nicht nur die Rentenhändler in Frankfurt, sondern auch offizielle Stellen wie die Bundesbank sind mittlerweile ernsthaft besorgt, denn die Talfahrt scheint noch nicht zu Ende: weiterhin steigen ausländische Investoren aus deutschen Rentenpapieren aus, weil die Unsicherheiten angesichts der Währungsunion nicht vom Tisch sind. Die Parolen der Großbanken, daß es sich bei dem derzeitigen Renditeniveau um „Angst-Zinsen“ handelt, die weder konjunkturell noch durch Inflationsgefahren begründet seien, halfen wenig. Jedenfalls nicht genug, um den Abgabedruck aus dem Ausland auszugleichen. Daß die Aktienbörse auf die desolate Lage am Rentenmarkt säuerlich reagiert, überrascht nicht, nach einem kräftigen Hoch am Freitag begann die Woche am Aktienmarkt mit deutlichen Abschlägen, eine Ausnahme machten nur BASF, Bayer und Hoechst, die sich dank großer Kaufaufträge aus Japan behaupten konnten. Wie es weitergeht auf dem Aktienmarkt, steht in den Sternen: daß der DAX-Index in den letzten 4 Monaten, die von deutlichen Zinsanstieg gekennzeichnet waren, überhaupt so stark klettern konnte, widersprach schon jeder Börsenlogik. Jetzt, wo hinter der Euphorie der „Deutschland-Phantasie“ die Mühen der Ebene sichtbar werden, geht den Aktienoptimisten langsam die Luft aus. Zwar läuft die Wiedervereinigung langfristig auf steigende Erträge der Unternehemen und damit günstige Perspektiven für den Aktienmarkt hinaus, doch kurz- und mittelfristig könnte es durchaus weniger rosig aussehen - Minister Blüm deutete es mit den Steuererhöhungen, die er prophylaktisch ins Spiel gebracht hat, bereits an. Und wenn die Zinsen am Anleihemarkt weiter so nach oben marschieren wie in den letzten Tagen, werden es sich die ausländischen Investoren, die dem Aktienmarkt seit dem 9.November ein Kursplus von über 20 Prozent bescherten, dreimal überlegen, ob sie sich statt dem zunehmend riskanten Engagement in Aktien nicht lieber in den sicheren Hafen einer 9,5prozentigen DM-Anleihe flüchten.

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