: Schöner Wohnen ohne DDRler
■ Bremen-Nord: Bürgerinitiative für übersiedlerfreien Fußballplatz gegründet
Bolzplatz für Freizeit-Kicker oder Dach über dem Kopf für DDR-Übersiedler - mit diesem Zielkonflikt samt obligatorischen Bürgerprotesten muß sich derzeit Bremen Schönebecks Sozialdemokratie herumschlagen. Direkt in der schnuckel-einfamilienhaus-idyllischen nordbremer Villen -Nachbarschaft sind die Bremer Grundstücksfahnder bei ihrer Suche nach Bauland jetzt fündig geworden und haben am Freier Damm zwei Bolzplätze entdeckt. Einer, so wollen es Bremer Senat, Stadtteilbeirat und örtliche SPD, soll jetzt bebaut werden. 13 Einfamilienhäuschen (vollverklinkert, rotziegelgedeckt und mit „pflegeleichten
weißen Kunststoffenstern“, wie die Bauherren betonen) und 39 weitere Zwei-bis Dreizimmerwohnungen soll die private Bremer Immobiliengesellschaft Rausch auf dem städtischen Grundstück möglichst schnell hochziehen. Denn der Wohnraum wird dringend gebraucht: Auf 10 Jahre will der Senat die fertigen Wohnungen anschließend zum Qudratmeterpreis von 14,50 DM mieten und an Aus-und Übersiedler vergeben.
Vor das Obdach für DDR-Bürger in ihrer Nachbarschaft hat eine Bürgerinitiative jetzt allerdings die Drohung mit einem langwierigen Prozeß gesetzt. Denn: „Durch die Siedlung für
Übersiedler verschlechtert sich hier unsere ganze Lebensqualität“, brachte am Mittwochabend ein aufgebrachter Anlieger unter tosendem Applaus die Empörung seiner Mitmenschen im Gemeindehaus am Feldberg auf den größten gemeinsamen Nenner.
Eingeladen hatte der Schönebecker SPD-Ortsverein Kritiker, Befürworter - unter ihnen auch die Bauherren - des Neubauprojekts. Aber letzteren nützte es wenig, daß Siedlungsarchitekt Eschenhagen seine Häuschen in den putzig -freundlichsten Farben schilderte, mit dachbegrünten Tiefgaragen und vorsorglich eingeplanten Sozial -Gemeinschaftsräumen, „so daß nicht nur Übersiedler, sondern auch normale Menschen sich ganz in ihnen zu Hause fühlen können.“
Ausiedler hin, normal her - die Gegenargumente und ihre VetreterInnen blieben am Mittwoch dennoch in deutlicher Mehrheit. Schon jetzt, so rechnete ein Nordbremer Freizeit -Kicker der Versammlung vor, müßten sich bis zu sechs Hobby -und Thekenmannschaften die beiden Bolzplätze teilen. Der Verzicht auf einen sei deshalb vollständig unmöglich. Einem anderen ging die Liebe zu einer Hain
buchenhecke am Fußball-Feld rain denn doch weiter als die zu DDR-Übersiedlern: „Heute können wir hier noch Eichhörnchen und Fasane beobachten“ fürchtete er eine nachhaltige Störung des ökologischen Gleichgewichts vor seiner Gartenterrasse. Drohte einer in Richtung der sozialdemokratischen Diskussionsleitung: „Man müßte die Grünen gegen Sie aufhetzen.“
Da nutzte der SPD-Bürgerschafsabgeordneten Traudi Hammerström auch die Beschwörung des sozialen Elends in Norunterkünften und Turnhallen wenig: Ihr Plädoyer für menschenwürdige Unterkünfte wurde mehrfach von Zwischenrufern unterbrochen: „Dann muß man eben irgendwo anders neue Städte aus dem Boden stampfen.“
Notfalls wollen die Anlieger sogar vor Gericht ziehen. Mit gar nicht so schlechten Chancen, wie ihnen der Baurechts -Professor Hans Ganten bestätigt hat. Wenn sich die Wohnsiedlung schon nicht verhindern läßt, so doch erheblich verzögern: Da es für den Bolzplatz bislang keinen Bebauungsplan gibt, will Ganten ihn vor Gericht erzwingen. Geschätzte Dauer des Verfahrens: zwei Jahre.
K.S.
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