: Baulöwe Klingbeil: Appetit aufs Scheunenviertel
■ Der größte Berliner Baukonzern, die Klingbeil-Gruppe, plant für 150 Millionen Ostmark ein zweistöckiges Bürohochhaus am Rande des historischen Scheunenviertels / Die AnwohnerInnen wurden von den Ostberliner Behörden nur zögerlich informiert
Einen schönen Happen Hauptstadt hat der größte Westberliner Baulöwe jetzt abgebissen: Ein zwölfstöckiges Bürohochhaus am Rande des historischen Ostberliner Scheunenviertels wird derzeit von westlichen Architekten geplant - finanziert von einer Tochtergesellschaft der Klingbeil-Gruppe.
Während die Anwohner derzeit brav mit bescheidenen Mitteln ihre verfallenen Häuser instandsetzen, denken die potenten Investoren aus dem Westen in ganz anderen Kategorien: Von 150 Millionen Ostmark für das sogenannte „Kontorhaus Berlin“ am S-Bahnhof Marx-Engels-Platz (früher Börse) war am Runden Tisch des Bezirks Mitte die Rede. Es wird dann auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern den Hackeschen Markt zwischen Friedrichstraße und Alexanderplatz überragen. Die Wohnhäuser an dieser Stelle wurden in den letzten Jahren abgerissen. Eine GmbH mit westlichen und östlichen Gesellschaftern sei bereits gegründet.
Nach Auskunft der Bürgerinitiative „Spandauer Vorstadt“ hat diese Vorverträge mit der Grundstücksverwalterin, der Kommunalen Wohnungs-Verwaltung (KWV) Berlin-Mitte für das denkmalgeschützte vierstöckige Eckhaus Rosenthaler Straße 10 bekommen. Daran wird das künftige Kontorhaus angrenzen. Die West-Berliner Architektengemeinschaft Bassenge/Puhan -Schulz/Heinrich/Schreiber fertigte mehrere Entwürfe an. Zwei Ladengeschosse seien geplant, erklärte Architekt Bassenge auf Anfrage, darüber lägen Büroräume, die für Firmen oder Verwaltungen geeignet seien, und zu „Kostenmieten“ vergeben würden. Diese dürften sich vermutlich bei 20 Mark (West) pro Quadratmeter einpendeln. Die denkmalgeschützte Rosenthaler Straße 10 ist „die Zitrone, die der Investor mitschlucken muß, denn man weiß nicht, wie sich die Instandsetzung rechnet“, sorgt sich Bassenge. Bis jetzt allerdings, betont er, verhandele man noch nicht, man führe nur Gespräche mit dem Rat des Bezirks.
Derzeit sei die Gegend auch noch Wohngebiet, deshalb brauche man eine andere planungsrechtliche Grundlage. „Aber nicht so ein quälend langes Verfahren wie im Westen“, sagte Bassenge. Man habe die Entwürfe in Form von Gipsmodellen und Zeichnungen dem Bezirk zur Verfügung gestellt, damit sich die Bürger informieren können. Wann der Bau fertig sei, könne er nicht sagen, meinte der Architekt zur taz. Potentielle Rechtsträger für die Baufinanzierung seien die Deutsche Bank und die Intertec GmbH, ein Tochterunternehmen der Klingbeil-Gruppe. „Ein milliardenschweres Baukonsortium amerikanischen Ausmaßes“, meint Architekt Wulf Eichstädt von der Westberliner Unterstützergruppe. Weder von der Bezirksverwaltung Berlin-Mitte noch von der Klingbeil -Tochter Intertec war eine Stellungnahme zu erhalten.
Die Bürger wurden von den Behörden bisher nur zögerlich informiert. „Angefangen hat das schon im Oktober“, meinte BI -Sprecher Miottke. Da tauchten westliche Vermessungstrupps auf, fotografierten die Rosenthaler Straße 10 und befragten die noch verbliebenen Bewohner und den Apotheker. „Soviel Elan ist man im Osten gar nicht gewöhnt“, meint Miottke. Deshalb wurde man mißtrauisch und begann, der Sache auf den Grund zu gehen. Erst nach langem Hin und Her mit der Verwaltung kam die Geschichte ans Licht.
esch
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