: Wahlschwindel ausgeschlossen
■ 2.000 ausländische Beobachter für 4.392 Wahllokale / Jimmy Carter an der Spitze
Mit dieser „weltweit bestüberwachten Wahl“, wie sie heute schon genannt wird, wollen die Sandinisten vor allem eins erreichen: die Normalisierung ihrer Beziehungen zu den USA. Sie gehen davon aus, daß George Bush einer Regierung, die zu seinen Bedingungen gewählt wurde, die Anerkennung nicht länger verweigern kann, daß er dann das Wirtschaftsembargo aufheben und die Auflösung der Contra verfügen muß. Ohne Frieden, ohne Zugang zu den traditionellen Exportmärkten in den USA und den Krediten der internationalen Finanzinstitutionen, deren Nicaraguakredite bisher von den USA blockiert werden, kann es keinen wirtschaftlichen Aufschwung geben.
Die Entspannung mit Washington ist also ein existentielles Problem für Nicaragua. Deswegen liefert sich die Regierung auch dem Verdikt der prominenten Wahlbeobachter aus: Jimmy Carter und Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten. Von ihrem Urteil wird es abhängen, ob diese Wahlen in der weltweiten Medienöffentlichkeit als frei und sauber genug betrachtet werden. Über 2.000 Beobachter aus aller Welt werden am Sonntag ausschwärmen und in jedem einzelnen der 4.392 Wahllokale nach Anzeichen für Manipulation oder Wahlbetrug suchen. Viel finden werden sie wohl nicht. Iqbal Riza, Chef der UNO-Beobachtergruppe, der die Wahlvorbereitungen von Anfang an verfolgt hat, sagt schon jetzt, daß Wahlschwindel angesichts der starken Kontrollen ausgeschlossen ist.
Dennoch hat die Oppositionsallianz „Uno“ bis zuletzt die wildesten Gerüchte über angeblich geplante Schiebung verbreitet. Guillermo Potoy, der als Finanzminister einer möglichen „Uno„-Regierung gehandelt wird, will zum Beispiel von einem Plan wissen, wonach alle Soldaten und Staatsangestellten mit bereits ausgefüllten Wahlzetteln an die Urnen geschickt werden sollen. Doch kaum jemand hält die Sandinisten für dumm genug, ein solches Eigentor zu schießen: denn wer für sie ist, der wird ohnehin Liste 5 ankreuzen, und Regierungsgegner unter den Wehrpflichtigen würden wohl kaum zögern, den Skandal öffentlich zu machen.
So absurd solche Komplottgeschichten anmuten - sie sollen wohl ein Klima schaffen, das spätere Fälschungsvorwürfe nach einer Wahlschlappe der Opposition glaubwürdig macht. Virgilio Godoy, der sich als Vizepräsidentschaftskandidat bewirbt, hat sogar in einem Interview erklärt, die Sandinisten könnten nur gewinnen, „wenn sie Dona Violeta oder mich umbringen“. Obwohl die Opposition in der Zählkommission jedes Wahllokals vertreten ist und die Beobachter für reichlich Transparenz sorgen, forderte sie bis zuletzt eine öffentliche Stimmauszählung, und einzelne Politiker riefen ihre Sympathisanten auf, am Abend vor den Wahllokalen Aufstellung zu nehmen. Die Sandinisten fürchteten daraufhin, die „Uno„-Opposition werde durch Urnenklau und Gewaltakte ein Chaos ähnlich dem nach den Wahlen in Panama schaffen, und wiesen ihre Aktivisten an, „die Urnen zu verteidigen“. Eine Woche vor dem Wahltag war die Stimmung so geladen, daß sich der Oberste Wahlrat zum Einschreiten genötigt sah: Er verlangte von allen Parteien einen ausdrücklichen Gewaltverzicht und verbot bis Sonntag Mitternacht jede Demonstration oder Siegesfeier.
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