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Französisches AKW für Pakistan

Trotz Kaschmir-Konflikt und Atomwaffensperrvertrag läßt Frankreich die atomare Zusammenarbeit mit Pakistan wieder aufleben / Westdeutsche KWU an Lieferfirma beteiligt / Bereits erste Schelte aus den USA  ■  Von Thomas Scheuer

Basel (taz) - Um den heimischen AKW-Bauern endlich mal wieder ein Geschäft zuzuschanzen, läßt Präsident Mitterrand sogar den Atomwaffensperrvertrag zur Makulatur verkommen: Nach 12 Jahren will Frankreich die atomare Zusammenarbeit mit Pakistan wieder aufnehmen und dem Land ein AKW liefern. Dies vereinbarte Staatspräsident Francois Mitterrand anläßlich eines gestern zu Ende gegangenen Staatsbesuches in Pakistan mit Ministerpräsidentin Benazir Bhutto. Pakistan verweigert - ebenso wie sein Erzrivale Indien - bis heute die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages. Beide Länder werkeln intensiv an Atomwaffen.

Daß Präsident Mitterrand ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da sich der Kaschmir-Konflikt zwischen Pakistan und Indien erneut zuspitzt und zudem im September die 5.Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages bevorsteht, die eingefrorene Atom-Kooperation mit Pakistan wiederbelebt, hat in Washington bereits offizielle Proteste ausgelöst. Mitterrands Verweis, zu liefernde Anlagen würden den Kontrollettis der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) unterstellt, ist Augenwischerei: Auch seine beiden bisherigen Atommeiler hat Pakistan freiwillig der IAEA unterstellt - was seine Atomklempner keineswegs am Aufbau eines militärischen Parallel-Programms hinderte. Kritiker verweisen ferner auf die derzeit instabile innenpolitische Lage in Pakistan.

Nun sollen die Pakistanis den heißbegehrten Atommeiler, über den sie vor Jahren mit Bonn vergebens verhandelten, also aus Frankreich erhalten. Allerdings ist die bundesdeutsche Atomwirtschaft auch bei diesem Deal beteiligt: Liefern soll den vereinbarten 900-Megawatt -Druckwasser-Reaktor nämlich die Firma Nuclear Power International (NPI). Und die wurde just im vergangenen Jahr vom französischen Konzern Framatome und der westdeutschen Siemens-Tochter Kraftwerk Union (KWU) zwecks gemeinsamer Beackerung des AKW-Weltmarktes gegründet.

Den Startschuß für den atomaren Wettlauf zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten Indien und Pakistan gab 1974 Indien mit der Zündung einer „friedlichen Kernexplosion“. Kein halbes Jahr danach, im Oktober 1974, schloß Frankreich mit Pakistan ein Abkommen über atomare Zusammenarbeit, in dessen Rahmen auch mit dem Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage bei Chasma begonnen wurde. Auf Druck der USA stellte Paris 1978 diese Kooperation ein. 1980 beschlossen die führenden Industrieländer dann mit den sogenannten „London Guidelines“, einem Zusatzabkommen zum Sperrvertrag, ein Embargo gegen Pakistan und andere Nicht -Unterzeichner. Als Folge erblühte ein weitverzweigter Schwarzmarkt für Atomtechnologie und Know-how, auf dem auch deutsche und französische Firmen mächtig mitmischten.

Bisweilen taten sie dies auch gemeinsam: So hatte etwa die hessische Firma NTG, gegen deren Manager die Staatsanwaltschaft Hanau vor wenigen Wochen wegen illegaler Atom-Exporte nach Pakistan und Indien Anklage erhob, geschmuggelte Spezialmetalle zur Herstellung von Brennstäben von französischen Firmen bezogen. Als Drahtzieher der NTG -Operationen ortet das Pariser Magazin 'Politis‘ in seiner gestrigen Ausgabe die pakistanische Botschaft in Paris.

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