: Streik aussetzen ... „käme einer Niederlage gleich“
■ ... meint GEW-Chef Erhard Laube zum Vorschlag von Ingrid Stahmer, den Streik für die Dauer weiterer Gespräche zu unterbrechen / Der Landeselternausschuß schlägt unabhängige Vermittler vor / Die taz sprach mit Stahmer und Laube
Alles hängt am Wort „Tarifvertrag“: Solange dieser Begriff nicht Überschrift einer Vereinbarung zwischen den Gewerkschaften, den streikenden ErzieherInnen und dem Senat wird, wird weiter gestreikt. Mit unbestimmter Dauer - denn noch immer stehen die Streikenden auch innerhalb der mächtigen ÖTV eher alleine da. Die Solidarität der Beschäftigten, etwa im Nahverkehr oder bei der BSR hält sich in Grenzen. Einzige wirkliche Fortentwicklung gestern: Der Landeselternausschuß schlug anstelle von Ingrid Stahmer zwei unabhängige Vermittler - die Pädagogikprofessorin Jutta Schöler und den Arbeitsrichter Klaus Voigt - vor. Über ihre bislang erfolglosen Gespräche sprach die taz mit Bürgermeisterin Stahmer.
taz: Soll der Streik noch bis zum Sankt Nimmerleinstag weitergehen oder ist doch ein Kompromiß denkbar?
Ingrid Stahmer: Wir haben den Gewerkschaften eine Vereinbarung über die Sicherung der Arbeitsbedingungen und deren Verbesserung angeboten. Das Problem ist, daß sie solche Vereinbarungen nicht verhandeln wollen...
...weil sie nicht tariflich geregelt wären. Denn - so das Argument der Gewerkschaften - der Senat kann jederzeit die Vereinbarungen zurücknehmen.
Ich denke, eine Vereinbarung, die man in solcher politischen Situation schließt, nach einem solchen Streik, die kann man nicht einfach wieder zurücknehmen.
Also kein Tarifvertrag, also weiterhin Streik. Wie soll das weitergehen?
Ich hoffe, daß der Streik jeden Tag aufhört. Ich habe die Gewerkschaften gebeten, für die Dauer der Verhandlungen eine Unterbrechung zu machen, damit diese langwierige Belastung für Kinder, Eltern und Erzieher aufhört.
Dann nehmen sich die GEW und ÖTV ihr einziges Druckmittel.
Das ändert nichts an der Situation. Wir wissen doch, wie ernst sie ist. Ein Aussetzen würde die Verhandlungsposition nicht schwächen.
Wenn Sie die angebotene Vereinbarung nicht wieder zurücknehmen wollen, dann können Sie die auch tariflich vereinbaren. Da verlieren Sie doch nichts?
Doch, weil ein Tarifvertrag die Probleme mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder - die Gemeinschaft der öffentlichen Arbeitgeber auf Bundesebene - und somit mit den anderen Bundesländern mit sich bringen.
Ihre Senatskollegin Anne Klein behauptet, daß der geforderte Tarifvertrag ein Berlin-spezifischer wäre, nicht übertragbar auf andere Bundesländer. Stimmt das nicht?
Das glaubt uns keiner. Es gibt natürlich eine ganze Reihe Städte, in denen die KiTas genauso hohen Belastungen ausgesetzt sind - wie zum Beispiel in Frankfurt. Die dortigen KiTas sehen ja auch schon mit großer Spannung auf den Ausgang des Streiks hier.
Eltern können seit dieser Woche in Bezirksgebäuden Räume für Kinderbetreuung bekommen. Überlegt der Senat weitere Erleichterungen im KiTa-Streik?
Das ist, was wir zur Zeit als Hilfen anbieten können. Wir denken weiter nach.
Die Gewerkschaft GEW nannte den Einsatz von Bürgermeisterin Stahmer gestern ein „Feigenblatt für eine angebliche Verhandlungsbereitschaft des Senats“. Es sei schlimm, wenn damit die „Demontage einer Politikerin mit sonst gutem Ruf“ betrieben werde. Die taz sprach mit GEW-Chef Laube.
taz: Herr Laube, die Gespräche mit Bürgermeisterin Ingrid Stahmer sind vorerst gescheitert. Wie lange wollen sie jetzt noch streiken?
Erhard Laube: Das Gespräch mit Frau Stahmer mußte scheitern. Sie hatte weder eine Verhandlungs-vollmacht noch ein Angebot mitgebracht. Wie lange der Streik dauert, hängt davon ab, wann Tarifverhandlungen aufgenommen werden. Aus den Streikleitungen ist niemand für einen Streikabbruch und niemand für einen faulen Kompromiß.
Müssen jetzt Busfahrer und Müllmänner mit Solidaritätsstreiks den Senat unter Druck setzen?
Aus den Bezirken wird immer wieder gefordert, den Streik auszuweiten. Selbstverständlich gibt es hierbei rechtliche Probleme. Für den Organsationsbereich der GEW kann ich sagen, daß vielfach ErzieherInnen freier Träger, wie eben auch LehrerInnen darüber nachdenken, wie sie auch mit Regelverletzungen den KiTa-Streik unterstützen können.
Was verstehen Sie denn unter „Regelverletzungen“?
Für die Dauer des Streiks ist jetzt jeder Dienstag zum Solidaritätstag erklärt worden. Dann sollen sich die KollegInnen in den Schulen überlegen, wie sie den Streik in den KiTas unterstützen können - auch mit persönlichen Risiken.
Sechs Wochen Streik. Haben die Eltern keinen Bock mehr oder brauchen wir gar keine KiTas, weil die betroffenen 40.000 Kinder offensichtlich auch anderweitig untergebracht werden können?
Ich habe eher den Eindruck, daß wir uns immer noch in einer Phase der Polarisierung befinden. Selbstverständlich nimmt der Druck der Eltern zu, auch auf die Gewerkschaften. Insbesondere nimmt aber der Druck der Eltern auf den Senat zu.
Sie streiken weiter. Bis in alle Ewigkeit?
Wir wissen, daß nicht nur die AL einen Tarifvertrag unterstützt, sondern in der SPD der Ruf danach immer lauter wird.
Frau Stahmer hat sie gebeten, für die Verhandlungen den Streik auszusetzen. Warum machen Sie das nicht?
Für Tarifverhandlungen werden wir den Streik aussetzen für unverbindliche Gespräche nicht. Dies käme einer Niederlage gleich. Interview: Dirk Wild
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