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Männerwirtschaft auf Hawaii

■ „Magnum“ diesen Samstag abend ausnahmsweise in der allerersten Reihe

Der Hubschrauber rast übers ferienblaue Meer um die hawaiischen Inseln. Affenscharfe Vorspannmusik dröhnt ins miefelnde Wohnzimmer, und der Fan geht begeistert mit. Hausschlappen wippen im Takt, kühne Erwartungen werden ausgetauscht, und dann geht's ab ins wonnevolle und gefährliche Südseeleben. Alloa, Freunde! Magnum ist wirklich ein Fall für sich.

Als die Serie bei uns startete, gewann sie vornehmlich aus zwei Gründen sehr schnell die Gunst vieler Marathon -GuckerInnen. Einmal war die Idee ganz pfiffig, den notorischen Schnorrer und Privatdetektiv Thomas Magnum (der rustikale Tom Selleck) immer wieder mit dem Zuschauer in scheinbar telementalen Kontakt treten zu lassen. Mindestens 50 der übrigens meist unblutigen Folgen beinhalten die drei gedanklich an die Fans allüberall gerichteten Sätze: „Ich weiß, was Sie jetzt denken. Und Sie haben wieder recht! Aber was hätte ich denn tun sollen?“

Das kam gut und schien mehr herzugeben als der sonst übliche US-Einheitsbrei. Die Sache fing an, interessant zu werden. Und ich weiß noch genau, wie überrascht ich war, daß die zuständigen deutschen Stellen dieses immerhin mediokre Stilelement aus der Schwarzen Serie glatt übersehen zu haben schienen und ein paar Dutzend Folgen anstandslos kauften.

Zum anderen aber, und das war geradezu revolutionär, führte Magnum einen Helden der dritten Art ein: Jonathan Higgins (John Hillerman), den biederen König der Nebenrollen. Er ist das erwachsene Äquivalent zum Unsympathen und heimlichen Sesamstraßenhelden „Herr von Boedefeldt“. Wie jener ist auch er knickrig und mickrig, nachtragend und ein unglaublicher Aufschneider - vor allem, was seine Zeit „während des letzten großen Krieges“ angeht. Es gibt einfach nichts, was er nicht schon mal „selbst erlebt“ oder mit „absoluter Perfektion ausgeführt“ hätte. Higgins, seine Freunde nennen ihn unpassenderweise Higgibaby, ist der kleine, dickliche, anscheinend asexuelle und enervierend pedantische Verwalter auf dem „Anwesen“ des vielbeschäftigten Multimillionärs Robin Masters. Da dieser nie selbst in Erscheinung tritt, trägt Higgins die Bürde sämtlicher kurz- und mittelfristig notwendiger Entscheidungen, die in irgendeiner Weise mit dem „Anwesen“ oder den dort befindlichen Preziosen zusammenhängen. Und Higgins nimmt die Aufgabe verdammt ernst. Da auch der Dauerpleitier Magnum - Robin Masters hat es persönlich gestattet - dort wohnen und auch noch den blutroten Ferrari fahren darf, kommt es zwischen dem manisch analfixierten Higgins und dem lebensfrohen und leidenschaftlich nachlässigen Sportsfreund Magnum zu ständigen Streitereien und bösen kleinen Fiesheiten. Sie sind die Würze des Films. Alles andere ist mehr oder weniger lästiges Beiwerk, das sich wie Unkraut um zwei zarte Pflänzchen rankt und sie zunehmend zu ersticken droht.

Die Stories selbst waren anfangs so schlecht nicht, sind nun aber oft langweilig und schmieren neuerdings auch schon mal ins Dümmliche ab. Dritte oder vierte Wahl sind die Leistungen der anderen sogenannten Schauspieler. Die einzige Ausnahme bildet da T.C. (Roger E. Mosley), der schwarze Hubschrauberpilot, Freund und ständige Gläubiger Magnums.

Bliebe die Frage zu beantworten, warum die Serie jetzt einmalig zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Ein Test? Aber dann wäre sie mit den eben erwähnten Besonderheiten doch noch gar nicht flach genug! Obwohl! Moment mal! Seit einiger Zeit schon beschleicht mich da ein übler Verdacht. In den letzten zehn neuen Folgen wurden Higgins‘ Auftritte zunehmend kürzer und belangloser. Magnum selbst sieht oder spricht uns kaum noch direkt an, wirkt eher mürrisch und übellaunig. Dafür grinst sein anderer Kumpel, dessen Namen oder Gesicht ich mir noch nie merken konnte, immer häufiger in die Kamera. Und mit ihm eine ganze Batterie aus anderen Serien geklonter Gestalten. Ehemals Harte Magnum-Fans aus meinem Freundeskreis wenden sich zunehmend angewidert ab und streifen mit dem Commander in der schweißfeuchten Hand irritiert auf der Suche nach Ersatz durch die Medienlandschaft.

Soll Higgins vom Nebenrolleur zum Statisten degradiert werden? Vorstellbar ist das leider durchaus. Schließlich ist auch Herr von Boedefeldt kaum noch zu sehen, während Lilo an ihrem obszönen Dauerlachkrampf noch mal ersticken wird. Ach egal, probiert's einfach aus. Ihr könnt ja immer noch ins Aktuelle Sportstudio umschalten. Ansonsten bleibt alles beim alten: Magnum am Dienstag um 21.45 Uhr. Diesmal: „Professor“ Higgins.

Philippe Andre

Magnum, Samstag, 22.10 Uhr, ZDF

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