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Eine Kampfschrift sportbegeisterter Ökologen?

Der Deutsche Skiverband (DSV) verblüfft die Öffentlichkeit mit einer fast perfekten Öko-Kampfschrift: „Umweltplan 2000“ Doch die geschickt ausgeklügelte Prestigekampagne wird nicht einmal in den eigenen Reihen ernstgenommen  ■  Von Michaela Schießl

Berlin (taz) - Zugegeben: Der Deutsche Skiverband (DSV) sitzt tief in der Patsche. Kaum ein Hochglanzmagazin kommt thematisch durch den Winter, ohne die Kundschaft mindestens einmal mächtig betroffen zu machen durch Großaufnahmen von per Skisport übel verschandelter Natur. Die Worte „Ski“ und „Umweltzerstörung“ in einen Satz zu packen, ist mittlerweile zum öko-moralischen Imperativ geworden und erzielt Breitenwirkung: In Kiel zum Beispiel beschlossen Schüler, Eltern und Lehrer eines Gymnasium, auf Ski-Klassenfahrten zu verzichten - der Natur zuliebe.

Zu allem DSV-Unglück bleibt nicht nur der sportlicher Nachwuchs weg, sondern, viel schlimmer, auch der Schnee. Neuester Schicksalsschlag: die Biathlon-WM in Minsk wurde am Donnerstag wegen frühzeitig einsetzender Schneeschmelze abgebrochen. Eine generelle Verlegung der Rennen auf spätere, schneewahrscheinlichere Termine fällt ebenfalls flach: das nämlich würden die Einnahmen der Sportartikelindustrie schmälern, die den ganzen Zirkus bekanntermaßen nicht gänzlich uneigennützig sponsert.

So kann das demolierte Image des DSV dieses Jahr nur sehr begrenzt mit rauschenden Siege der Spitzensportler aufgemöbelt werden. Auch die scheinbare Rettung durch den Griff in die Wundertüte der Chemie erwies sich als Flop: Der Krampf auf Kunstschnee wird nicht nur von den Artisten heftig verteufelt - auch das befremdete Publikum, schwitzend auf der blühenden Wiese, kann sich nur partiell für winterliche Höchstleistungen inmitten einer grünen Manege entzücken. Da hilft keine Michaela Gerg, kein Hans-Jörg Tauscher, nicht einmal der fliegende Heimatbursche Dieter Thoma - Eiskristalle aus der Retorte regen Hobbywedler mehr zum Nachdenken denn zum Nachahmen an.

Propaganda-Coup

Just in dieser ausweglos scheinenden Situation gelingt dem DSV der propagandistische Supercoup: Durch eine ausgeklügelte Informationsschrift erweitert er den Horizont des weltgewandten Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Die Krönung: Der solchermaßen Belehrte bedankt sich auch noch öffentlich. Ort des schier unglaublichen Vorgangs: die Villa Hammerschmidt. Dort übergab der stolze Verband dem Staatsobersten feierlich das erste Exemplar des „DSV -Umweltplans 2000“.

Unter dem Motto Natur erleben - Natur bewahren - Skisport mit Bedacht verspricht das Programm, gangbare Wege zum umweltgerechten Skifahren aufzuzeigen. Das klingt verdächtig bekannt. Und wahrlich: 1975 schon forderte die Interessensvertretung der organisierten Skifahrer eindringlich, bei der Erschließung neuer Skigebiete die Belange des Umweltschutzes zu wahren. Gesagt, verdrängt. Ab damit in die Schublade „Lippenbekenntnisse“.

Da staunt der Ökologe

Das nun alles ganz anders werden soll, beteuert Erwin Lauterwasser, Vizepräsident des DSV. Und wirklich: Wüßte man es nicht besser, man hielte den „Umweltplan 2000“ für eine Kampfschrift sportbegeisterter Ökologen. Da staunt der Leser: „Das gesellschaftspolitische Ziel der Freizeitgestaltung in der Natur muß verbunden werden mit deren Erhaltung in ihrer Vielfalt. Dies ist nur ganzheitlich möglich, denn der Skisport ist zu sehr in der allgemeinen Entwicklung der Gebirgsräume eingebunden. Daraus folgt für den Verband die Pflicht, Position zu beziehen und gesundheitliche, soziale und ökologische Ziele gesellschaftspolitisch entscheidend mitzubestimmen.“ Ehrlich, das steht da. Und, ungelogen, in dem Stil geht es weiter: Einer exakten Bestandsaufnahme des Ist-Zustands folgt stante pede eine umfassende Analyse, in der die notwendigen Maßnahmen herausgearbeitet und schließlich im DSV-Programm umgesetzt werden. Selbstredend alles auf dem neusten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und ökologischen Diskussion.

In seinem Forderungskatalog langt der Verband dann so richtig zu: Regelmäßige Überprüfung des ökologischen Zustands eines Skigebiets, kurz „Öko-TÜV“ genannt, Umweltverträglichkeitsprüfungen vor dem Bau neuer Anlagen und der Zulassung neuartiger Sportgeräte, Beratung der Seilbahngesellschaften und Wintersportorte, Verzicht aufs Skilaufen bei ungenügender Schneelage, ein grundsätzliches Verbot für Helikopter-Skiing in deutschen Alpen, Beschränkung auf bestehendes Gebiet und gekennzeichnete Pisten, keine Ausweitung des Gletscherskilaufs, mehr Forschung, Schulung und Aufklärung in internationaler Kooperation.

Selbst vor der heiligen Kuh Auto macht der DSV nicht Halt. Er empfiehlt die Gründung von Fahrgemeinschaften zum Wintersportort und stellt einen Ticket-Verbund von Bundesbahn und Skipaß in Aussicht. Dem kann selbst die Speerspitze der Ökoskibewegung, der Hamburger Verein „Sport mit Einsicht“ kaum noch etwas hinzufügen. Initiator Thomas Wilken: „Der 'Umweltplan 2000‘ hat Hand und Fuß. Das Schwierige daran ist lediglich die Umsetzung.“

Geschonte Industrie

Eigentlich können argusäugige, mißtrauische Kritiker nur einen Schwachpunkt bemängeln: Die Sportartikelindustrie, der eigentliche Drahtzieher des Massenskitourismus und Ursache allen Übels, wird nur ungenügend hart angegangen. Das verwundert nicht, denn als Hauptsponsoren bilden die Equipement-Hersteller in trauter Eintracht mit dem DSV den Skipool, der die Großveranstaltungen plant, finanziert und durchführt.

Doch trotz dieses Pferdefußes: Für einen so traditionellen Sportverband wie den DSV ist ein Weitblick und eine Einsicht in der vorliegenden Größenordnung geradezu revolutionär. Fast ist man gewillt, an den ehrlichen Willen zur Umsetzung zu glauben, noch dazu, wo die Glaubwürdigkeit des umweltschonenden Machwerks durch die Verwendung von Recyclingpapier intuitiv forciert wird. Vielleicht sollte man sogar eintreten, solche Initiativen unterstützen? Wo waren doch gleich die Formulare? Vielleicht in 'ski‘, der DSV-Verbandszeitung.

Und da passiert es. Die schamlose Enttarnung. Die Gewißheit, alle Vorurteile bestätigt zu sehen und um ein Haar hinterlistig belogen worden zu sein. Denn was findet sich in der Hochglanzgazette neben dem Selbstbeweihräucherungs-Bericht über den Weizsäcker-Empfang? Ein hübsches Foto von Dieter Thoma samt Kollegen, die kokett auf einer schneefreien Wiese ihre Ausrüstung präsentieren. Weiter geht's mit einem Aufruf zu vermehrtem Tourenskilaufen abseits jeder Pistenmarkierung, im Neondress, versteht sich. Die letzte Illusion raubt ein fröhlicher Erlebnis- und Werbebericht über unberührtes Heli-Skiing im Kaukasus mit anschließendem Kaviarempfang im Retortendorf. Aufgelockert werden die Artikel durch ganzseitige Werbung für Allrad -Geländewagen „für unbequeme Wege abseits der Straße“. Und schließlich der Gnadenstoß: Das Verbandsorgan des Umweltrevoluzzers DSV verlost eine viertägige Gletscherskireise.

Aufatmen. Das Weltbild stimmt wieder. Der DSV ist und bleibt das, was er war: ein ADAC für Skifahrer. Und wer würde dem schon glauben, wenn er ein Fahrverbot, Tempo 100 und die obligatorische Einführung des Drei-Wege-Kats fordert? Immerhin: zur Promotionagentur, die diesen fast genialen Feldzug entwickelte, ist dem DSV zu gratulieren. Wäre die Abstimmung zwischen „Umweltplan“ und Erscheinen der Zeitung nur ein bißchen besser gelaufen, wer weiß, ob nicht der ein oder andere darauf reingefallen wäre.

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