: Napoleon Duarte - an seiner Aufgabe gescheitert
Der nach schwerer Krankheit verstorbene Ex-Präsident El Salvadors konnte weder mit der Guerilla Frieden schließen noch das Militär kontrollieren ■ Von Ralf Leonhard
San Salvador (taz) - Die Gedenkworte des US-Präsidenten hatten einen noch Lebenden erreicht. Napoleon Duarte sei ein „Kämpfer für die Demokratie“ gewesen, ließ George Bush seinen Botschafter in El Salvador einmal in einem Nachruf auf den Ex-Präsidenten erklären. Denn das Ableben Duartes war schon wiederholt irrtümlich gemeldet worden. Zuletzt am 20. September 1989 in der Nationalversammlung, die ihre Debatte für eine Gedenkminute unterbrach und drei Tage Staatstrauer dekretierte. Jetzt, nach seinem tatsächlichen Tod, ist unklar, ob seine rechtsextremen Nachfolger in der Regierung Staatstrauer anordnen werden.
Nachdem die Ärzte im Walter-Reed-Krankenhaus in Washington schon vor zwei Jahren fortgeschrittenen Magen- und Leberkrebs konstatiert hatten, glaubte kaum noch jemand daran, daß der salvadorianische Präsident seine Amtsperiode beenden würde. Eine intensive Bestrahlungstherapie und eiserner Überlebenswille ermöglichten es dem 63jährigen Christdemokraten jedoch, durchzuhalten und am 1.Juni 1989 seinem gewählten Nachfolger Alfredo Cristiani die Amtsgeschäfte zu übergeben, einem Vertreter jener alles beherrschenden Oligarchie, die Napoleon Duarte sein Leben lang bekämpft hatte. Duarte konnte sich zwar seinen Lebenswunsch, Präsident zu sein, erfüllen, hinterläßt aber ein Land, das dem Frieden nicht näher ist als zu Beginn seiner Amtszeit. An seiner historischen Aufgabe, dem Volk den Frieden zu bringen, ist Duarte gescheitert.
Napoleon Duarte, der 1926 in San Salvador geborene Sohn eines Kleinindustriellen, war schon dabei, als im November 1960 die Christdemokratische Partei El Salvadors entstand. Er wurde sogar in die achtköpfige Direktive gewählt. Es war die Zeit der „Allianz für den Fortschritt“, als US-Präsident Kennedy dem Vorbild der kubanischen Revolution in ganz Lateinamerika reformistische Modelle entgegensetzen wollte. Für das seit Jahrzehnten von einer kleinen Clique aus Großgrundbesitzern und Agrarunternehmern regierte El Salvador hatten die Ideen der christlichen Soziallehre und die Forderung nach Bodenreform etwas Revolutionäres. Dementsprechend schwer wurde es der neuen Partei gemacht, sich zu etablieren. Doch trotz Behinderung und Verfolgung wurde die PDC schon 1964 zur stärksten Oppositionspartei im Parlament und stellte den Bürgermeister der Hauptstadt: Der hieß Napoleon Duarte.
Der gerade 38jährige Bauingenieur, der an der konservativen Notre Dame University in den USA studiert hatte, profilierte sich schnell als effizienter Administrator und wurde einer der populärsten Politiker des Landes. Daß er Kandidat einer Dreiparteienallianz war, die 1972 gegen die offizielle Partei der Oligarchie antrat, war nur logisch. Er hatte damals auch keine Berührungsängste gegenüber den Juniorpartnern der Koalition, nämlich der sozialdemokratischen MNR Guillermo Ungos und der UDN, einer Wahlfassade der illegalen KP. Beide sollten später zu erbitterten Gegnern des Präsidenten Duarte werden. Die Regierung mußte im Wahlbetrug Zuflucht suchen, um ihren Kandidaten Fidel Sanchez Hernandez durchzusetzen. Ein Putschversuch junger Offiziere schlug kurz darauf fehl, Duarte wurde festgenommen und ins Exil nach Venezuela geschickt. Dort wartete er auf seine Stunde. Zu lange, behaupten seine Kritiker. Denn seine Rückkehr hätte der Opposition in den siebziger Jahren Auftrieb geben können.
Erst als eine Gruppe reformistischer Offiziere am 15. Oktober 1979 den Diktator General Romero wegputschte, um einem Volksaufstand nach nicaraguanischem Vorbild zuvorzukommen, sah Duarte seine Chance. Er kam jedoch erst, als die erste Revolutionsjunta bereits zerfiel und Teile der Regierung aus Protest gegen die fortgesetzte Repression der Armee zur linken Opposition überliefen. Napoleon Duarte, der US-amerikanischen Quellen zufolge schon lange mit der CIA zusammengearbeitet hatte, wurde berufen, unter der Schirmherrschaft Washingtons einen Pakt mit den Militärs zu schließen, die fortan die Kontrolle über das Land ausüben sollten. Ihn trifft Mitschuld an den zahllosen Massakern, mit denen die Militärs dem Guerillakrieg auf dem Lande und den Massendemonstrationen in der Stadt begegneten. Dank dem international respektierten Duarte konnte Ronald Reagan sein Aufstandsbekämpfungsprogramm dem Kongreß verkaufen und mitten im Krieg eine formaldemokratische Struktur schaffen, die mit immer mehr Militär- und Wirtschaftshilfe am Leben gehalten wurde.
1984 erreichte Duarte sein Lebensziel. Mit dem Versprechen, den Frieden auszuhandeln, und gestützt von großzügigen Mitteln aus den USA, Venezuela und der BRD, setzte er sich in den Präsidentschaftswahlen gegen den rechtsextremen Major d‘ Aubuisson durch.
Tatsächlich traf er ein halbes Jahr später zu einem ersten Dialog mit den Guerillakommandanten zusammen, doch konnte er selbst die mageren Ergebnisse nicht gegenüber den Militärs durchsetzen. Die Freilassung von gefangenen Guerilleros, aber auch in den Genfer Rotkreuzabkommen verbriefte Rechte wie freies Geleit für Kriegsversehrte, konnte die FMLN immer nur mit Gewalt erzwingen, etwa im Oktober 1985 durch die Entführung von Duartes Tochter Ines Guadalupe.
Doch einer Lösung der Ursachen des Krieges kam man während Duartes Präsidentschaft nicht näher. Daß der Christdemokrat sich dem eigenen Volk weniger verpflichtet fühlte als seinem großzügigen Sponsor USA, das demonstrierte er 1987 bei einem Besuch im Weißen Haus, wo er in aller Öffentlichkeit die Stars and Stripes an die Lippen führte.
Mit Korruption und persönlicher Bereicherung machten sich die Duartes schließlich nicht nur bei den Wählern, sondern auch bei den europäischen Verbündeten unmöglich. So war Duartes Sohn Alejandro ausersehen, Bürgermeister von San Salvador zu werden, scheiterte aber genauso wie der Präsidentschaftskandidat Fidel Chavez Mena - seine Tochter Ines leitete ein mit deutschen Geldern finanziertes Radio. Und noch wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit ließ der Staatschef einen Scheck über 100.000 Dollar für Erdbebengeschädigte auf ein Konto der eben gegründeten Napoleon-Duarte-Stiftung überweisen. Duarte hinterläßt eine zerrüttete Partei und ein Volk, das immer weniger an seine Vorstellungen von Demokratie glaubt.
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