: Nicht vergeben und vergessen-betr.: "'Frauenopfer– Farthmann-Solidarität bis ins letzte Glied", taz vom 20.2.90
betr.: “'Frauenopfer‘ Farthmann - Solidarität bis ins letzte Glied“, taz vom 20.2.90
Frauen eignen sich nicht für öffentliche Ämter und für die Politik, weil sie emotional sind und nicht logisch denken. Das war eine „sachliche“ Begründung für Frauendiskriminierung, die mich durch meine Jugend begleitete. Die zweite, weitaus häufigere: „Die heiratet ja doch und kriegt Kinder, und dann sind die Ausbildungskosten in den Sand gesetzt.“ Die dritte Begründung, die mit der „geringeren Hirnmasse“ wurde uns meistens als „witzig“ untergejubelt.
Nun zeichnet sich Friedhelm Farthmann dadurch aus, daß er weitere Körperteile an uns entdeckt (Tittensozialismus) oder vermißt („daß sie zwischen den Beinen anders aussehen als ich“), woraus er ableitet, daß Frauen in der Politik nichts zu suchen haben.
Es ist mir neu, daß Männer mit dem Politik machen, was sie zwischen den Beinen haben. Bisher ging ich davon aus, daß Frauen und Männer Politik mit dem Kopf machen und der sieht, außer dem Haarbewuchs, bei beiden gleich aus. Und daß wir Frauen Politik mit dem Kopf machen, sollten wir beweisen, indem wir den sofortigen Rücktritt von Herrn Farthmann erzwingen. Dieser Mann war schon als „Frauenbeauftragte“ der NRW-SPD-Regierung ein unerträgliches Ärgernis. Als Politiker betreffen seine unqualifizierten Äußerungen nicht nur die SPD-Frauen, denn als Regierungsmitglied macht er Politik für alle! Und was bedeutet eine Entschuldigung von einem Wiederholungstäter? Der Mund fließt doch nur über, wovon das Herz voll ist!
Erschreckend ist auch die breite Männersolidarität, die ihm „menschlich, männlichen Trost“ spendet. Wir Frauen wollen nicht mehr vergeben und vergessen, wenn Mandatsträger ihre Frauenverachtung öffentlich herausposaunen. Spätestens das Wahlkreuz muß zum Denkzettel werden.
Lisette Milde, Landesvorsitzende NRW Die Grauen
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