Seele und Dogma

■ „Lehrbeanstandungsverfahren“ gegen den Priester und Psychologen Drewermann / Psychoanalyse nicht erwünscht

Hamburg (taz) - Endlich läßt der Erzbischof die Katze aus dem Sack. Gedrängt durch die Medien gab Johannes Joachim Degenhardt, katholischer Oberhirte des Erzbistums Paderborn, nun endlich bekannt wie er den Priester und Privatdozenten Eugen Drewermann theologisch zur Rechenschaft ziehen will. Bis vor wenigen Tagen war der seit Jahren von der katholischen Kirche beargwöhnte Erfolgsautor völlig im Unklaren darüber, ob ihm ohne jedes Verfahren die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen oder ob er die Chance erhalten würde, seine theologischen Auffassungen in einem geordneten „Lehrbeanstandungsverfahren“ zu verteidigen. Darauf hatte Drewermann wochenlang gedrungen. Unter zwei schlechten Wegen hat der Paderborner Erzbischof also immerhin noch den für Eugen Drewermann „besseren“ gewählt.

Was der Kirche an den zahlreichen Publikationen nicht paßt, ist die Verknüpfung von Theologie und Psychologie. Vor wenigen Wochen erschien ein neues vielhundertseitiges Werk des belesenen Privatdozenten: „Kleriker - Psychogramm eines Ideals“. In ihm tut der Psychotherapeut einen tiefen Blick in die Seele der katholischen Priester, beschreibt die Kluft zwischen ihren persönlichen Einstellungen und ihrem Amtsverständnis. Drewermann rät den katholischen Geistlichen zu mehr Ehrlichkeit und Direktheit. Er will, daß sie von ihren eigenen Ängsten und Zweifeln sprechen, statt sich aus persönlichen Unsicherheiten in die scheinbare Sicherheit von dogmatischen Formeln zu retten.

Nun will Erzbischof Degenhardt ein Lehrverfahren einleiten lassen. Zuständig dafür ist die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seine Gründe: Drewermann stehe mit fundamentalen Glaubenslehren, der Heiligen Schrift und der kirchlichen Überlieferung nicht in Einklang. Entscheidende Bedeutung dürfte vermutlich der Frage zukommen, ob Drewermann die historischen Fakten der biblischen Offenbarung „ins Innere der Seele verlegt hat“. Nach Ansicht Degenhardt ergeben sich aus den Aussagen Drewermanns über Jesus Christus und die Erlösung „verhängnisvolle Konsequenzen auch für seine Deutung der Kirche und ihrer Ämter sowie für die Darstellung der christlichen Sittenlehre“. Gemeint ist: Je stärker die Erlösung der Menschen als ein innerer, psychologischer Vorgang verstanden wird, umso weniger tritt die Kirche in ihrer Rolle als Heilsvermittlerin in Erscheinung.

Am 31.Januar gab es mit dem Erzbischof Degenhardt ein Gespräch über das „Kleriker-Buch“. Allerdings hatten die Beteiligten nicht den Eindruck, daß ein Einvernehmen erzielt werden sollte.

Eduard Seul