Mehrheit fühlt sich als Minderheit

■ Die AL-Fraktion stellte „Ein Jahr alternative Frauenpolitik“ öffentlich zur Diskussion / Verärgerung über mangelnde Solidarität mit dem KiTa-Streik / Anne Klein über Sozialdemokratinnen enttäuscht

„Wann stellt ihr endlich die Koalitionsfrage und sagt: Jetzt ist Schluß“, fragte eine ungeduldige Zuhörerin. Der KiTa -Streik währt bereits seit Ende Dezember, seit sieben Wochen weigert sich der Senat, mit den ErzieherInnen einen Tarifvertrag abzuschließen. Wo aber bleibt die Alternative Liste und ihre Senatorinnen?

Der KiTa-Streik, seine frauenpolitischen Dimensionen und das mangelnde öffentliche Interesse an diesem Arbeitskampf ist das interessanteste Thema an diesem Mittwoch. Die AL -Fraktion hatte abends ins Rathaus Schöneberg eingeladen, um „Ein Jahr Alternative Frauenpolitik“ zu diskutieren. Rede und Antwort stehen Anne Klein, Lydia Hohenberger, frauenpolitische Sprecherin der AL-Fraktion, Sigrid Haase, Frauenreferentin der AL und Helga Metzner vom Geschäftsführenden Ausschuß der Alternativen. Die Rechenschaftsberichte sind fad. In Senat und Fraktion hat frau brav die Koalitionsvereinbarungen weitgehend „abgearbeitet“. Erfolge, die öffentlich leider nicht richtig gewürdigt würden, beklagt sich Anne Klein. Stattdessen habe frau ständig mit „pauschaler Kritik“ zu kämpfen. Daneben gebe es die alltäglichen Schwierigkeiten mit der Verwaltung und mit den anderen SenatorInnen. Vor allem mit den SPDlerinnen sei es schwierig, weil sie sich eben all zu oft gar nicht solidarisch zeigen wollten. Und die Frauenmehrheit im Senat fühle sich immer noch als Minderheit.

Lydia Hohenberger hätte eigentlich gerne einen „euphorischen Rechenschaftsbericht“ abgegeben, kann sich aber dann noch bremsen. In der Hektik der Koalitionsverhandlungen sei es nicht gelungen, frauenpolitische Forderungen in allen Ressorts in den Vereinbarungen zu verankern. Nun gelte es, interessierte Frauen in allen Verwaltungen für die Mitarbeit zu gewinnen. Allerdings würden Frauenanträge in den verschiedenen Ressorts regelmäßig verschleppt, und daher dauere es ewig, bis einer endlich durchkäme.

Das Publikum, rund 100 Teilnehmerinnen, hält still und gähnt versteckt. Und gäbe es nicht den KiTa-Streik, hätte sich frau an diesem Abend wohl fast nichts zu sagen. So groß scheint inzwischen das Desinteresse der meisten an (institutionalisierter) Frauenpolitik. Helga Metzner vom Geschäftsführenden Ausschuß der AL stellt fest, daß es noch nie so wenig Frauenpolitik in ihrer Partei gegeben habe, wie in diesem Jahr. Keine widerspricht ihr heftig.

Die politische Lethargie der „Frauenszene“ wird auch am KiTa-Streik offensichtlich. Von massenhafter Solidarität bisher keine Spur. Obwohl sich in diesem Arbeitskampf mehrere zentrale frauenpolitische Forderungen bündeln: Die Aufwertung weiblicher Arbeit, die Verbesserung der gesellschaftlichen Kinderbetreuung, die Entlastung alleinerziehender Mütter. Anliegen, die zum Beispiel bei den Frauen in der DDR ganz oben rangieren - und über die hierzulande immer wieder berichtet wird.

Vielleicht hat der Abend im Rathaus Schöneberg das Publikum ja in dieser Hinsicht etwas ins Nachdenken gebracht. Und vielleicht sind ja Anregungen für größere und kleinere Störmanöver des öffentlichen Lebens - zur Unterstützung der streikenden ErzieherInnen - auf offene Ohren gestoßen: Blockaden von Flugplätzen, Stadtautobahnen, U-Bahnhöfen und Straßenkreuzungen sind sicher nur ein paar Aktionsmöglichkeiten.

Ulrike Helwerth