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Langkurze Fintenmuffel

Wer trickst wen aus beim Basketball, warum und mit welchem Erfolg? Doktorarbeit: „Täuschungshandlungen“  ■  PRESS-SCHLAG

Im Basketball können sich nun alle wissenschaftlich fundiert auf den Gegner einstellen: In Göttingen wurde eine Dissertation über Täuschungshandlungen im Sport vorgelegt. Christiane Okonek, Sportwissenschaftlerin mit Trainerlizenz für Basketball, stellt zunächst verschiedene Täuschungsvarianten vor und grenzt sie gegeneinander ab. Die in der Praxis am häufigsten angewandte Täuschung ist die Finte. Daneben gibt es noch die Varianten Betrug, Bluff, Imitationstäuschung (hierzu zählt die Schwalbe beim Fußball) und die Täuschungsaufstellung.

Die Doktorandin definiert die Finte als „eine versuchte absichtliche Irreführung zum Zwecke des Vorteilsgewinns innerhalb eines kompetitiven Interaktionskontextes. Sie täuscht einen für den Gegner gefährlichen Handlungsbeginn vor und zwingt ihn zu einer Entscheidung unter Zeitdruck und Unsicherheit.“

Dabei werden Tempo-, Richtungs- und Rhythmuswechsel als Mittel eingesetzt. Typische Finten beim Basketball sind die Wurffinte, die Paßfinte, die Dribbelfinte und die Durchbruchfinte.

Um der Frage nachzugehen, welche praktische Bedeutung der gezielte Einsatz von Täuschungshandlungen im Wettkampf hat, untersuchte Okonek die zwölf Endrundenspiele der Basketball -Europameisterschaft 1985 in Stuttgart. Aufgezeigt werden sollte dabei, „wie häufig, von wem, wo auf dem Spielfeld welche Finten angewendet und welche Folgehandlungen wie erfolgreich daran abgeschlossen werden“.

Mit Hilfe von überspielten Videoaufzeichnungen des Deutschen Basketball-Bundes erfaßten zwei Beobachter die Art der Finten, die anschließenden Korbwurfversuche und das Verteidigungsverhalten der jeweils gegnerischen Mannschaft.

Durchschnittlich wendeten die Basketball-Cracks elf Finten pro Spiel an: Das Maximum lag bei 30 Finten je Begegnung. Nicht uninteressant ist, daß die großen Center-Spieler und die kleineren Akteure deutlich seltener fintieren als die Spieler mittlerer Körpergrößen. Okonek erklärt dieses Phänomen mit der sogenannten „Mismatch„-Situation: „Wenn man selbst oder der Gegner eine eindeutig dominante Strategie spielen kann, verschafft der häufige Einsatz des Fintierens keinen Vorteil.“ Die baumlangen Kerle stört also ohnehin keiner beim Werfen, und den Kleinen ist der Weg zum Korb selbst nach der wirkungsvollsten Finte noch versperrt.

Der statistisch gesehen eifrigste Fintierer, so fand die Forscherin heraus, ist zwischen 195 und 205 Zentimeter groß und agiert als eng gedeckter Leistungsträger auf der Aufbau und Außenposition.

Die Finten indes zahlen sich nur bedingt aus. Diejenigen, auf die ein Wurf folgte, führten in nur 40 Prozent der Fälle zum Korberfolg. Die Erfolgsquote bei Versuchen ohne vorangegangene Finten lag dagegen bei 54 Prozent.

Im letzten Teil ihrer Arbeit geht die Autorin der Frage nach, was in den Spielern selbst vorgeht, in den fintierenden und den potentiell getäuschten. Bei Befragungen fand sie heraus, daß sich die meisten Angreifer für die Anwendung von Finten entscheiden, wenn sie einen aggressiven Gegenspieler vor sich haben. Beliebt sind Finten aber auch gegen Verteidiger, die bei jeder Bewegung mitgehen, die gerne den Ball stehlen oder schon mit mehreren Fouls belastet sind.

Die Ängstlichen lassen sich eben am leichtesten austricksen.

Reimar Paul

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