: Krankes Gesundheitssystem
■ Personalmangel, Apparatemangel und verfallene Gebäude behindern den Krankenhausbetrieb
Ost-Berlin (ap) - Die Übersiedelung von rund 3.200 Ärzten 1989 hat die ohnehin katastrophale Lage im Gesundheitswesen der DDR noch weiter verschärft. Das berichtete gestern die Ost-'Berliner Zeitung‘. Das Blatt veröffentlichte „ernüchternde“ Statistiken des Gesundheitsministeriums, wonach auch viele Schwestern fehlten. Der Betrieb könne in vielen Krankenhäusern „nur mühsam“ aufrecht erhalten werden. Mangel herrsche vor allem bei Einwegspritzen. Kliniken, Heime und psychiatrische Einrichtungen seien bis zu 70 Prozent „baulich verschlissen“.
Ende vergangenen Jahres waren der Zeitung zufolge 40.840 Ärzte und 12.290 Zahnärzte in der DDR tätig. Die Lage im Gesundheitswesen sei trotz „einiger Unterstützung“ aus der Bundesrepublik nicht besser geworden. Gravierende Rückstände gebe es besonders in moderner Medizintechnik. So liege der durchschnittliche Automatisierungsgrad in DDR-Labors nur bei 18 Prozent, während er in hochindustrialisierten Ländern 90 Prozent betrage. Auf 32.000 Einwohner nur ein Ultraschallgerät, in Westeuropa sei es dagegen durchschnittlich ein Gerät pro 2.500 Einwohner.
Von den 540 Krankenhäusern in der DDR seien besonders die kleinen und mittleren vom baulichen Verfall betroffen, aber auch Alters- und Pflegeheime. Miserabel sei der Bauzustand besonders in den Wäschereien, den Küchen und den Heizungstrakten der Kliniken.
Besorgt äußerte sich das Ministerium auch über den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung, obwohl die Lebenserwartung der Männer auf 70 und der Frauen sogar auf 76 Jahre gestiegen und die Säuglingssterblichkeit gesunken sei. Zugenommen hätten vor allem die Magen-Darm -Erkrankungen, wovon 1989 eine halbe Million DDR-Bürger betroffen gewesen seien. Schuld daran sei „mangelnde Hygiene in der Gemeinschaftsverpflegung, in der Lebensmittelindustrie sowie in der Aufbereitung des Trinkwassers“. Unverändert hoch sei die Zahl der Herz -Kreislauf- und Krebserkrankungen. Dies gehe nach Meinung von Experten darauf zurück, daß es zuviel Fett, zu wenig Obst und Gemüse und kaum Joghurt gebe.
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