: Schnur in der Falle
■ Der rasende Rechtsanwalt mit 151 Sachen von Vopos gestoppt
Ost-Berlin (taz) - Mit schlappen 151 Stundenkilometern hat die DDR-Volkspolizei den Rostocker Rechtsanwalt und Spitzenkandidaten des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, per Radarfalle geschnappt. Schnur war im VW-Santana (amtliches Kennzeichen AJ 89-80) unterwegs nach Erfurt. Er selbst saß als Beifahrer neben seinem Sohn, der das Fahrzeug lenkte (aha, mit dem ließe sich halt keine Schlagzeile machen; d.korr.).
Von einem Hauptwachtmeister des Volkspolizeikreisamts Bitterfeld „gegen 15.14 Uhr am Kilometer 98 nahe Raststätte Köckern“ gestellt, fiel Schnur nichts Dümmeres als die Ausrede ein, er müsse „schnell nach Erfurt, dort werden Leute zusammengeschlagen“.
Als die Polizei per Funkmittel in Erfurt anrufen wollte, um Schnurs Angaben nachzuprüfen, wurde der Anwalt kleinlaut: „Es ist nicht, aber es könnte sein“ (Polizeibericht). Als die Polizei nicht lockerließ, wurde Schnur vollends aufmüpfig. Er wolle sofort den verantwortlichen Einsatzleiter sprechen, rüpelte der Allianz-Politiker.
Außerdem hob es ständig seinen Dienstausweis vom „Ministerium für Justiz“ in die Höhe. „Sie werden großen Ärger bekommen“, drohte er den Polizisten und: „Das habt ihr nicht umsonst gemacht.“ Die Volkspolizisten indes erwiesen sich als knallharte Demokraten und belehrten den Herrn Rechtsanwalt: Privilegien oder Sondergenehmigungen seien passe, auch für Wolfgang Schnur.
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