DDR-Volkspolizei zwischen allen Fronten

Linke Gegendemonstranten beschweren sich über militante Ordner und Rechtsradikale bei Wahlkundgebungen / Volkspolizeichef Generalmajor Winderlich: „Auf Konflikte bei Kundgebungen personell und psychologisch nicht vorbereitet“ / Polizei ist kein Politik-Ersatz  ■  Aus Ost-Berlin Klaus Wolschner

Die Volkspolizei der DDR gerät zwischen alle denkbaren Fronten. Während in dem vertraulichen Schäuble-Papier zur Übernahme der DDR-Verwaltungen ausdrücklich große Probleme in bezug auf die „Übernahme und Integration des Personals der Deutschen Volkspolizei“ festgestellt werden, häufen sich in der DDR ausgerechnet von engagierten linken Gruppen und Zeitungen Vorwürfe, die Volkspolizei trete allzusehr in den Hintergrund. Bei Wahlkundgebungen ist es in den vergangenen Tagen mehrfach zu Rangeleien und handfesten Auseinandersetzungen gekommen, die die demonstrationsunerfahrenen Gruppen aufgeschreckt haben.

Auf einer eilig zusammengerufenen Pressekonferenz erläuterte der Chef der Volkspolizei, Generalmajor Dieter Winderlich, deshalb am Montag die Haltung der Polizei. Einsätze wie in der Bundesrepublik, bei denen ein Kundgebungsplatz weiträumig vor Gegendemonstranten abgesperrt wird, seien der Volkspolizei schon zahlenmäßig nicht möglich. Zudem gebe es da psychologische Probleme: „Es ist fraglich, ob in der gegebenen Lage der DDR ein massiver Polizeieinsatz überhaupt das Mittel ist...“, sinnierte Winderlich.

Nachdem Polizeibeamte aufgrund ihres noch von der SED befohlenen Einsatzes am 6./7. Oktober später unter den neuen Bedingungen der „Wende“ verurteilt worden waren, sind die Beamten zudem sehr zurückhaltend geworden. Die Volkspolizei ließ die Besetzung des Palastes der Republik durch Künstler geschehen, ohne auch nur in einer Nebenstraße Präsenz zu demonstrieren. Einzelne Volkspolizisten hätten, berichtet Winderlich, die Befürchtung geäußert, sie könnten, wenn sie das in der DDR bestehende Verbot der Reps mit dem Knüppel durchsetzen, in einem vereinten Deutschland dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Der Generalmajor appellierte an die Parteien, auf dem Weg der Gewaltfreiheit und der Sicherheitspartnerschaft zu bleiben. Konflikte seien unausweichlich, die Volkspolizei begreife sich „als Teil dieses im Werden begriffenen demokratischen Gemeinwesens“ und wolle sich „nicht wie vor der Wende dazu mißbrauchen lassen“, poli tische Konflikte polizeilich zu lösen.

Als Reaktion auf die Vorkommnisse bei den Wahlkampfkundgebungen und die Vorwürfe will die VP „ihre Präsenz zweifelsohne erhöhen“, versicherte Winderlich. Indirekten Aufforderungen etwa der FDJ-Zeitung 'Junge Welt‘ hielt er allerdings entgegen, einen „flächendeckenden Polizeistaat“ wolle man nicht einführen.

Der Polizeichef bezog sich zwar mehrfach auf Recht und Gesetz, dem allein die Polizei verpflichtet sei, bislang existiert allerdings nur das alte SED-Recht. „Unbedingt“ müsse das Polizeirecht geändert werden, versicherte Winderlich. Seit Januar arbeitet das Ministerium für Innere Angelegenheiten an dem Polizeigesetz und einem neuen Versammlungsgesetz - in dem alten waren Kundgebungen von Parteien schlicht nicht vorgesehen. Da es aber in der DDR keinerlei Datenschutzbestimmungen gebe, eine Verwaltungsreform anstünde und ein Beamtengesetz fehle, könne es zunächst nur um eine präzise Beschreibung der Aufgaben und Befugnisse der Polizei gehen.

Offen sei derzeit, ob Funktionen, die bisher Sache der Staatssicherheit waren wie etwa die „verdeckten Ermittlungen“, von der Polizei übernommen werden sollten. Unsicherheit herrscht, weil die Strafgesetzbestimmungen ebenfalls durch die Wende überholt sind. Derzeit steht noch im Strafgesetzbuch, daß die Zerstörung der DDR Fahne eine „Fahnenschändung“ ist.