Bitte nicht so stockbeinig

■ Halbe-Halbe? Über das Geschlechterverhalten im Bremer Parlament

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Vizepräsidentin! Sie hatten mich beauftragt, eine Untersuchung über „Das Verhalten der Geschlechter in der Bremischen Bürgerschaft“ vorzulegen. Ich habe diese Aufgabe gerne übernommen. Ich habe dabei die überraschende Entdeckung gemacht, daß einige der weiblichen Abgeordneten sehr genau die Regeln kennen, nach denen sie sich in diesem Haus bewegen, so daß teure vergleichende Videostudien überflüssig wurden. Eine Abgeordnete faßte die Quintessenz ihrer 20jährigen Erfahrungen so zusammen: „Eine Frau muß immer wieder versuchen, nicht als 'Gewitterziege‘ oder als 'Krampfziege‘ zu gelten.“ Merkmal einer solchen Person: „Sie hält sich oben am Rednerpult fest, die Stimme wird kreischig, überschlägt sich - das mögen die Männer nicht.“ Eine grüne Abgeordnete, die sich nicht an diese Regeln hielt, bekam als Quittung von SPD-Männern auf dem Weg zum Redepult den Spruch mit: „Jetzt kommt wieder die, die redet wie ein Papagei,

wenn er in den Ventilator gefallen ist.“ Ebenfalls vermeiden sollten Frauen „verbiestertes“ und „lehrerhaftes Auftreten.“ Genauso abzuraten sei von „Maulen“ und „Heulen“. Positiv ausgedrückt: „Die Männer mögen es, wenn man frisch kommt. Und wenn eine Frau höflich, freundlich und liebenswert ist.“ Es störe keinen, wenn ein Mann seine Rede so monoton ablese, daß alle Verbliebenen einschliefen. Auf die Stimm-Modulation werde da nicht geguckt. „Nur wenn eine Frau spricht, achtet ein Mann auf so beknackten Kram.“

Doch dies heißt nun nicht, daß Frauen untereinander „höflich, freundlich und liebenswert“ wären. „Wenn's ernst wird, kämpft sie um den Mann, braucht sie den Mann, um gewählt zu werden“, hat eine der älteren immer wieder beobachtet und auch einen Ausdruck dafür gefunden „Stutenbeißen“. Eine andere drückt dies feiner aus: Es bildeten sich Gespinster heraus, mit Männern als Kristallisationspunkten. In die Pflege dieser Gespinster gehe viel Arbeit rein mehr als in Inhalte.

Einladungen, Small-Talks.

Aber eine Frau, die was werden will, erzählt eine, die es wissen muß. die darf nicht mit zu leiser Stimme reden, die darf sich nicht weiblich zurücknehmen, nicht zuviel zuhören, sondern die muß zeigen: „Ich stelle Ansprüche auf Ämter. Ich habe durchaus Karriereinteressen.“ Entgegen weiblichen Illusionen hat die Zunahme weiblicher Abgeordneter schon deshalb nicht zu einem veränderten Umgang geführt: „Daß mit den anderen Kommunikationsstrukturen kannst Du schlicht vergessen.“

Was nun das Agieren von Männern gegenüber Frauen betrifft, kamen mir bemerkenswerte Begebenheiten zu Ohren. Situation A: Eine attraktive junge Abgeordnete hält ihre erste Rede. Der 1. Bürgermeister verläßt daraufhin seinen Senatssitz und nimmt im Plenarsaal Platz. Seine halblaute Begründung: „Die gucke ich mir doch lieber von vorne an.“ Nach ein paar Minuten steht er auf und geht demonstrativ. Er hätte Wichtigeres zu tun.

Situation B: Der SPD-Frak tionsvorsitzende und der SPD-Fraktionsgeschäftsführer stehen in der Nähe der Toiletten, als eine attraktive Mitarbeiterin näherkommt und auf die Damentoilette zusteuert. Der Vorsitzende mustert sie von oben bis unten und geht in die gleiche Richtung. Sagt der Geschäftsführer zu seinem Genossen: „Denk dran, die zweite Tür!“ Situation C: Ein Senator setzt sich nach einer Debatte angetrunken und hilflos neben eine Abgeordnete, die er ansonsten politisch bekämpft, und fragt diese: „Frau X., halten Sie mich denn wirklich für einen angepaßten Mitläufer?“

Was nun die Kommunikation der männlichen Abgeordneten untereinander angeht, die nicht für dritte Ohren bestimmt ist, so muß ein Beispiel genügen, denn ich habe meine Redezeit schon überzogen: Zwei führende Abgeordnete der CDU unterhalten sich: Sagt der eine: „Ich geh jetzt pullern und eine Bulette essen. Sagt der andere: „Vergiß nicht, Deine Hände zu waschen, wenn Du die Reihenfolge umkehrst.“

Vera Halten