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Lage in Kabul unklar

■ Nadschibullah sieht sich als Herrn der Lage / Mehrere afghanische Generäle setzen sich ins Nachbarland Pakistan ab

Islamabad (ap/afp/taz) - Einen Tag nach dem Putschversuch des afghanischen Verteidigungsministers General Schanawas Tanai gegen die Regierung in Kabul ist die Lage weiter unklar. Die Kämpfe zwischen aufständischen Armee-Einheiten des abgesetzten und untergetauchten Verteidigungsministers Tanai und regierungstreuen Truppen dauern an. Dies bestätigte der afghanische Botschafter in Neu Delhi. Für die Topmeldung sorgte indes Radio Pakistan, das unter Berufung auf „verläßliche Quellen“ behauptete, Staatschef Nadschibullah habe Zuflucht bei den Sowjets gesucht. Nach neuesten Meldungen jedoch ist diese Nachricht falsch. Denn am Mittwoch mittag behauptete wiederum Präsident Nadschibullah im afghanischen Rundfunk, daß es nur noch auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram, 50 Kilometer nördlich von Kabul, „einige Zwischenfälle“ gebe und er Herr der Lage sei.

Mittlerweile scheint festzustehen, daß Gulbaddin Hekmatyar, der Führer der moslemischen Fundamentalistengruppe Hisb-i -Islami den Putschistenanführer Tanai - möglicherweise von Anfang an - unterstützte. Wie die den oppositionellen Mudschaheddin nahestehende Nachrichtenagentur 'aip‘ meldete, sollen sich mehrere hochrangige Offiziere der afghanischen Armee am Mittwoch nach Pakistan abgesetzt haben.

Als „sehr beunruhigend“ und „einen Schlag gegen die Hoffunug auf eine schnelle Wiederherstellung des Friedens in Afghanistan“ hat die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ am Mittwoch in der 'Prawda‘ den Putschversuch verurteilt. Der Versuch einer bewaffneten Verschwörung gegen die rechtmäßige Regierung Mohammed Nadschibullahs sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, wo der nationale Friedensprozeß sich entwickle und die Perspektiven einer politischen Regelung des afghanischen Konflikts erste Erfolge zeigten, hieß es in dem Kommunique der Agentur.

Deutlich, aber keineswegs zum ersten Male, zeigt sich nun, daß nicht nur der afghanische Widerstand heillos zerstritten und zerspalten ist, sondern sich auch im Lager der Regierung immer wieder tiefe Gräben zwischen den einzelnen Flügeln der regierenden Demokratischen Volkspartei auftun. Während der putschende Verteidigungsminister Tanai dem sogenannten „Chalk-Flügel“ mit seiner großen, ländlich geprägten Anhängerschaft in der Armee angehört, zählt Staatschef Nadschibullah zum urbanen „Parcham-Flügel“ der Staatspartei. Schon im vergangenen Dezember wurden Rivalitäten zwischen Nadschibullah und Tanai offenbar. Damals wurden 124 Personen wegen eines „Komplotts“ gegen die Regierung verhaftet. Unter ihnen waren auffällig viele hohe Offiziere. Auch hatte Tanai sofort heftigen Protest gegen die Festnahmen erhoben.

Zwist und Hader sind in Afghanistan schon seit langem an der Tagesordnung. Denn dem unruhigen Land am Hindukusch mag es an vielem mangeln. An ethnischen, religiösen und politischen Gegensätzen indes gewiß nicht.

wasa

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