35-Stunden-Woche im Visier

■ Die IG-Metall trifft Vorbereitungen für einen Arbeitskampf / Streiklokale sollen angemietet, eine „kalte Aussperrung“ durch Präventivmaßnahmen verhindert werden

Mit Informationsständen in den Fußgängerzonen von Spandau, Tempelhof, Tegel und Wedding will heute die IG-Metall für die 35-Stunden-Woche werben. In der letzten Woche wurde die dritte Verhandlungsrunde zwischen den Tarifparteien schon nach 10 Minuten Schlagabtausch abgebrochen, das nächste Spitzengespräch findet am 19. März statt.

Im Vergleich zu den großen Tarifrunden 1984 und 1987 in denen der „Einstieg in die 35-Stunden-Woche“ erstritten wurde, sieht man diesmal recht wenige strahlende Sonnen im Straßenbild. Präsenter sind die großformatigen Fotos des Arbeitgeberverbandes, auf denen Bilderbuchmetaller für eine Festschreibung der 37-Stunden-Woche und für nur geringe Lohnerhöhung werben. Ein kräftiges Wirtschaftswachstum sei notwendig, ein Verzicht auf die 35-Stunden-Woche opportun, um die notleidende DDR- Wirtschaft unterstützen zu können, argumentiert Gesamtmetall in erklärenden Untertiteln. Genau gegen diese Verzichtsargumentation wenden sich die Gewerkschafter und die Metall-Kollegen aus dem Osten unterstützen sie dabei. Gerade bei einer Zusammenführung beider deutscher Staaten und einem Zusammenwachsen von Berlin bedürfe es einer kürzeren Arbeitszeit, die nachweislich Arbeitsplätze schafft. Und die braucht man in der Stadt. Sowohl im Osten als auch im Westen wird mit steigender Arbeitslosigkeit gerechnet. In Ost-Berlin suchen 17.000 Metaller einen Arbeitsplatz, und in West-Berlin hat der alleine im Februar angedrohte Abbau von 1.000 Arbeitsplätzen im Metall- und Elektrobereich (400 Arbeitsplätze bei Siemens, 180 durch Schließung der Kondensatorenfabrik Richard Jahre, 200 bei Nixdorf, 60 AEG -Holländerstraße, 300 Daimler/AEG Sickingenstraße) zu höchster Beunruhigung geführt.

In den Betrieben braucht bei der diesjährigen Tarifrunde nicht um Unterstützung geworben werden, die alten 35-Stunden -Arbeitsgruppen haben schon lange ihre Arbeit wieder aufgenommen, verteilen Buttons und Flugblätter.

Erste konkrete Vorbereitungen für einen möglichen Arbeitskampf in der Metallindustrie hat kürzlich der Bevollmächtigte der IG-Metall, Manfred Foede, bei einer Veranstaltung mit Betriebsräten angekündigt. In allen Bezirken der Stadt sollen ab sofort Orte für Streiklokale festgelegt werden. „Wir wollen keinen Streik“, erklärte Foede, „aber wir gehen ihm auch nicht aus dem Weg, wenn die Arbeitgeber uns dazu zwingen“. Aber selbst wenn es in Berlin nicht zu einem direkten Arbeitskampf kommen sollte, ist es nicht auszuschließen, daß Fernwirkungen eines westdeutschen Arbeitskampfes in Berlin zu spüren sind. Die IG-Metall fürchtet besonders den Klassenkampf von oben, die „kalte Aussperrung“ und den §116 des AFG, der beinhaltet, daß ausgesperrte Arbeitnehmer kein Geld vom Arbeitsamt erhalten. Senator Wagner kritisierte zwar diesen Paragraphen, der die Neutralitätspflicht der Bundesanstalt für Arbeit verletzt, als verfassungswidrig, aber noch müssen sich die Gewerkschaften auf diese Widrigkeiten einrichten. Die IG -Metall hat deshalb vorgeschlagen, daß die Betriebsräte die Arbeitgeber präventiv auffordern Lagerhallenkapazitäten anzumieten, sowie Abnehmer und Zulieferer zu benennen, damit diese beliefert werden können, Gründe für eine „kalte Aussperrung“ somit hinfällig werden.

aku