: Der Stadtvater und der Sammler
■ Wenn ein Oberbürgermeister etwas von Kunst versteht
Ein Metzger macht Würste. Wollte man ihn auf den Gedanken bringen, es doch einmal mit Kunstausstellungen zu probieren, er würde milde lächeln. Daß ein Oberbürgermeister keine Würste macht, und der aus Heidelberg schon gar nicht, versteht sich von selbst. Heidelbergs Stadtvater heißt Reinhold Zundel und unterscheidet sich von einem Metzger auch dadurch, daß man ihn erst gar nicht auf den Gedanken bringen muß, es doch einmal mit Kunstausstellungen zu versuchen. Er kommt von alleine drauf'und im Gegensatz zum Metzger traut er sich das Ausstellungsgeschäft auch zu. Natürlich nicht alleine. Beistand hat er in Amerika gefunden, wo er häufiger unterwegs ist, um Touristen für sein romantisches Kleinod in der Kurpfalz aufzutreiben. Dort traf er einen Industriellen mit Namen Fritz Grunebaum. Der macht auch nicht in Würsten, sondern in Öl, wodurch er auch in Kunst machen kann: as Sammler. Beide wurden schnell handelseinig'und seither wartet Heidelberg auf die Sammlung des Sammlers. Sie wird als Ganzes kommen - wenn er tot ist. Daß sich der Heidelberger Gemeinderat vom den Kunst-Sinn seines Patrons in äußerste Verzückung treiben ließ und flugs eine Viertelmillion für eine Stiftung bewilligte, mag noch witzig sein. Und auch, daß bisher niemand die Sammlung sah, in der höchstens fünf Bilder von Wert sein sollen. Die Posse begann aber genau dann ihren Witz zu verlieren, als der Oberbürgermeister den Ausstellungsmacher in sich entdeckte. Kunstvereinsleiter Hans Gercke legte gerade letzte Hand an die blaue Fare der Ferne, da flatterte ihm ein Nutzungsvertrag auf den Tisch. Vier Monate im Jahr solle er auf den neuen Kunstverein verzichten, ließ man ihn wissen. Warum man ihm künftig seine kontinuierliche Ausstellungsarbeit unmöglich machen will (für deren Qualität er letztes Jahr gar von der französischen 'Liberation‘ gelobt wurde), stand nicht im Vertrag - man kann es sich aber denken. Seit es die Grunebaum-Stiftung gibt, existiert auch ein Büro. Und im Büro ist eine der linken Hände des Oberbürgermeisters tätig - die Geschäftsführerin der Stiftung. Sie soll Großes leisten: Kokoschka-, Chagall- und andere Retrospektiven sind angekündigt, wobei es allerdings nicht um Kokoschka, Chagall und die anderen gehen wird. Denn eigntlich braucht man einen Rahmen, um die fünf Sammler -Bilder zu verstecken. Und das braucht viel Raum, auch den des Kunstvereins.
jüb
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