LASST EUCH NICHT VERFÜHREN

■ Interview mit dem Gegenevangelisator R.G.

Am Rande der Kundgebung steht ein kleiner Mann zwischen kirchenanklägerischen Schildern, spricht und zieht aus seiner orangenen Schultasche Zettel, auf denen gefragt wird: „Warnte der Herr davor einen der Kleinen, die an ihn glauben, zum Fallstrick zu werden?“ oder „Sind Kirchen und Organisationen die Tür, durch die man errettet wird?“ Ein Billy-Graham-Helfer versucht die Besucher vom Entgegennehmen der Handzettel abzuhalten. R.G. war früher bei den Zeugen Jehovas und steht, wenn nicht am Reichstag, so seit „etlichen Jahren“ an der Gedächtniskirche.

taz: Was machen Sie denn da?

R.G.: Die Leute vor dem Verderben schützen. Aus dem Feuer herausreißen. Denn ein Brand wird über die Erde gehen, der alles verzehren wird.

Sind Sie Christ?

Es nützt nichts, wenn ich sage, ich bin Christ; man kennt mich ja überhaupt nicht. Ich kann ja vieles behaupten. Aber wir sollen uns ja bekennen - da kann ich jederzeit mich bekennen. Er ist der Herr, nicht irgendein christlicher Politiker wie Hitler und dergleichen.

Warum stehen Sie heute hier?

Weil heute viele Leute hier vorbeigehen. Um sie zu warnen.

Machen Sie eine Konkurrenzveranstaltung?

Wir wollen nicht Konkurrenz zu Billy Graham sein, sondern das machen, was der Apostel gelehrt hat und uns daran ein Vorbild nehmen. Das Evangelium lehren - unverfälscht und die Verführten warnen, daß sie nicht in Tod und Verderben gehen.

Was stört Sie an Billy Graham?

Nach Berichten aus Presse und Rundfunk und eigenen Erzeugnissen, die er unter die Jugend bringt, ist er ein Jugendverführer. Wie Hitler. Und zwar im Namen Gottes und Christi natürlich - Römer 13!!! - daß man als Soldat seine Pflicht erfüllen muß und das hat man ja in Vietnam zum Beispiel gesehen, in Lateinamerika und wo sonst noch. Man zitiert ja meistens nur die Verse eins, zwei, eventuell noch bis sieben, aber acht bis zehn läßt man stets weg. Das sind die, wo steht, daß man den Nächsten lieben soll. Der Apostel geht aus von einer Obrigkeit, die von Gottes Gesetz ist. Diese verkehren das heutzutage und setzen an die Stelle der Gesetze Gottes die Gesetze des Staates, an die Obrigkeit Gottes die Staatsgewalt. Alle diese Politiker haben sich ja durch ihre eigenen Worte gerichtet. Hitler und andere Leute, die den Krieg verloren haben. Solange sie an der Macht waren, waren sie immer die christlichen Männer.

Haben Sie die Flugblätter alle allein hergestellt?

Jeder Christ ist eigentlich Einzelkämpfer. Da soll man keine Parteiung machen. Wo sie mich mal eingeladen haben in den vergangenen Zeiten - haben sie mich hingesetzt, und ich sollte ruhig sein und zuhören, und als ich was gesagt habe, da war ich schon ein Störer und raus: „Wir holen die Polizei!“

Was unterscheidet Ihre Botschaft von der Billy Grahams?

Wenn man das Gebot der Liebe nimmt - das ist ja nun mal das Evangelium - und das ist das Licht. Was ist dann die Finsternis? Das ist das Gegenteil. Da ist der Brudermord, da ist der Massenmord, da ist das Schwören auf Hitler, auf den Obersten dieser Welt - alles das Böse, das sie selber zwar verurteilen, zu dem sie aber anstiften. Das geht aus der Geschichte hervor. War ja auch in der Urania ein Vortrag: Kriminalgeschichte des Christentums. Vor dieser Verführung will ich warnen. Der Gott dieser Welt ist ja der Satan. Das merken die Menschen ja gar nicht, daß sie diesem Gott dienen, daß sie sich selber verführen und verführen auch die anderen. Das begreifen ja nur wenige, wie die Schrift auch lehrt: „Groß und breit ist der Weg und die Pforte ist breit, die ins Verderben führt und schmal ist der Weg und wenige, die ihn finden, man muß sich schon bemühen“, nicht wahr? Es ist ja - wie man sagt - ein ganzes System. Das hat der Teufel aufgebaut und der ist der Herr über alle Reiche dieser Welt. Und überall organisiert er, mal so, mal so. Er hat viele, viele Möglichkeiten, nicht wahr? Da kann ich nicht sagen, diese oder jene - da muß ich das ganze System angreifen. Ich kann einzelne überführen, wenn ich bekenne oder kann fragen: Stimmt das, was über euch berichtet wird. Aber wenn jemand eine Parteizugehörigkeit hat, ist er ja auch dafür verantwortlich, was die Partei oder Kirche tut und lehrt. Jesus sagt ja nicht umsonst: „Geht aus der Mitte heraus, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und die Sünden über euch kommen.“ Nur muß man das wieder in Zusammenhang bringen, wer damit gemeint ist.

Und welche Rolle spielt Billy Graham in diesem Spiel?

Nun ja, wollen mal sehen. Nach allem, was ich hörte und was man berichtet und durch seine eigenen Schriften weiß. Wie die Deutschen damals mit dem Nationalsozialismus verhaftet waren oder mit dem Kaiserreich oder mit der Demokratie, so sind die in diesen Dingen verhaftet und lehren, daß man als Staatsdiener seine Pflicht erfüllen müsse. Und nicht als Christ. Aber die machen es im Namen Gottes. Wie auch Billy Graham, der im Schwarzen Haus in Washington ein- und ausgeht.

Interview: Kuhlbrodt/Hackenberg