Keine Faschismusforschung?

■ Projekt zur Faschismusforschung an der FU entscheidungsreif / Die Finanzierung ist aber noch nicht gesichert / Gutachter fühlt sich ausgebootet

Ob es die von den StudentInnen geforderte und vom Senat in der Regierungserklärung angekündigte Verstärkung der Faschismusforschung an der FU geben wird, erscheint mehr als fraglich.

Zur Erinnerung: Wissenschaftssenatorin Riedmüller hatte den amerikanischen Faschismusforscher Wolfgang Wippermann, dessen Berufung zum Professor an der FU der damalige CDU -Wissenschaftssenator Turner verhindert hatte, mit der Erarbeitung eines Gutachtens über ein Faschismus -Forschungsprojekt an der FU beauftragt (die taz berichtete). Seit Dezember liegt es nun auf dem Tisch. Kernpunkt der Vorschläge Wippermanns ist die Einrichtung eines Koordinationszentrums, dessen zentrale Funktionen die Zusammenfassung der bisher isoliert betriebenen Forschung über Faschismus, die Sammlung historischer Quellen sowie die Errichtung von Arbeitszusammenhängen sind. Wippermann schlägt auch konkrete Forschungsfelder vor: die Aufarbeitung des faschistischen Teils der Berliner Geschichte, die Untersuchung faschistischer Institutionen, Kultur und Wissenschaft sowie von Frauen im Faschismus. Besonderes Interesse verdiene auch die Forschung über Rechtsextremismus und die Ausarbeitung des faschistischen Rassismus. Letztes ist um so bedeutender, als Wippermann hier zugleich Information und Beratung der Opfer des Rassismus in Anlehnung an das Modell des niederländischen RIOT (ein Institut, das den Betroffenen u.a. bei ihren Entschädigungsforderungen mit Rat und Tat zur Seite steht) anregt. Es wäre die erste derartige Beratungsstelle in der BRD und gerade angesichts der absehbaren „Wiedervereinigung“ von großer Bedeutung, da viele Entschädigungsforderungen unter Hinweis auf den fehlenden Friedensvertrag und den provisorischen Charakter der BRD zurückgewiesen worden sind. Wippermann: „Jetzt ist die letzte Chance der Betroffenen, finanzielle Entschädigungen durchzusetzen.“

Am 14. Februar schien nun das Projekt beschlossene Sache, nachdem das FU-Kuratorium prinzipiell zugestimmt hatte. Zwei Faktoren jedoch lassen die praktische Umsetzung des Beschlossenen als sehr zweifelhaft erscheinen. Zum einen ist die Finanzierungsfrage noch nicht geklärt, da die Staatsseite nicht bereit ist, die erforderliche Angestelltenstelle dauerhaft zu finanzieren. Aus diesem Grund hatte Senatorin Riedmüller im Kuratorium auch gegen den Vorschlag gestimmt. Weitaus gewichtiger jedoch scheint ein anderes Hindernis. Unter Leitung von Vizepräsident Bütow beschloß eine Versammlung von Fachbereichsvertretern, eine Kommission einzusetzen, die sich mit dem Projekt näher beschäftigen soll. Wolfgang Wippermann, der von der Versammlung explizit ausgeladen worden war, wittert Sabotage. So soll die Kommission überhaupt erst zum Sommersemester gebildet werden, mit raschen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. Zwar will die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung darauf drängen, den Prozeß zu beschleunigen, wie das allerdings unter der Prämisse, daß der Uni „nicht reingeredet“ werden wird, gelingen soll, bleibt offen. Zudem verheißt die Ausladung Wippermanns für die Zusammensetzung der Kommission wenig Gutes, zumal es ganz offensichtlich Kräfte gibt, die das Faschismus- in ein Extremismus-Projekt ummodeln wollen. Von Konservativen wurde Wippermanns Gutachten als zu subjektiv und zu politisch verworfen, der Begriff Faschismusforschung tauge nicht, da er analytisch wenig fruchtbar sei: Honecker sei schlimmer als Hitler gewesen, der DDR seien schließlich viel mehr Leute davongelaufen, weil auch die Herrschaft viel fühlbarer gewesen sei als unter Hitler - so der Tenor.

Wippermann jedenfalls sieht wohl nicht zu Unrecht schwarz. Er glaubt nicht, daß das Projekt in dieser Legislaturperiode überhaupt noch zustandekommt - es sei denn als Extremismus -Forschung. Die Zukunft für den arbeitslosen Professor sieht dann nicht rosig aus, da er nach eigenen Worten nicht mehr mit der Angestelltenstelle rechnen kann und schon bereut hat, eine im vergangenen Sommer ihm angetragene Professur in den USA abgelehnt zu haben.

Albert Scharenberg