: Gehobenes Sonntagsvergnügen
■ Das Ma'alot-Quintett im Sonntagskonzert von Radio Bremen
Bremer Bildungssonntag. kaum ist das Frühstück beendet, schnappt sich Vati die beiden Kinder und zieht ab, in die Kunsthalle, ins Überseemuseum oder zum Sonntagskonzert von Radio Bremen. Mutti bereitet derweil den Braten. Wenn das Sonntagskonzert dran ist, ist sie über das Rundfunkgerät am Konzertgenuß beteiligt und mit den ihren verbunden. Schon mancher Hustengruß wurde verabredet und erreichte die Mutter über den Äther.
Was sie im Konzert erwartet,
wissen die meisten nicht, aber - hier beginnt der ernsthafte Teil - in der Regel stehen die Konzerte auf hohem Niveau. Diesmal spielte das Ma'alot Bläserquintett. Ma'alot bezeichnet im Hebräischen eine Pilgerreise auf einen Berg, übertragen das Streben nach Höherentwicklung und Vervollkommnung. Ein programmatischer Name für das junge deutsche Ensemble, das seit 1989 besteht und von einem Preis zum nächsten eilt. 1989 war Ma'alot 1. Preisträger beim ARD -Wettbewerb.
Das Programm
War durchwachsen, wie immer bei konventionellen Kammerkonzerten eine Mischung aus Älterem und Neuerem: Reicha, Mozart und Ligeti.
Antonin Reicha, tschechischer Komponist der Beethovenzeit, ist vor allem durch seine Bläserquintette bekannt geworden. Im a-Moll-Quintett stehen zwei hörenswerten Außensätzen zwei betuliche Mittelsätze gegenüber. Das Ganze dauerte fast eine halbe Stunde. Ich plädiere für Be
schränkung auf den ersten Satz.
Das Adagio und Allegro für eine Orgelwalze schrieb Mozart 1790 als Auftragskomposition zur Ausstellung der Leiche des Feldmarschalls Laudon. Aus einem Brief an seine Frau wissen wir, daß Mozart sehr ungern an dieser Komposition gearbeitet hat. Er brauchte ein ganzes Jahr zur Fertigstellung. In der Originalfassung ist es nie erschienen. Die Bearbeitung für Bläserquintett zeigt ein sehr dichtes, interessantes Werk, das an einigen Stellen etwas unrund wirkt.
Höhepunkt des Konzertes auch für das Publikum waren die sechs Bagatellen von György Ligeti aus dem Jahre 1953. Es sind knappe einfallsreiche Stücke, die noch sehr in der von Bartok und Kodaly geprägten ungarischen Tradition.
Das Ma'alot Quintett
Spielte sehr lebendig mit einem guten Ensembleklang. Bei den klassischen Werken wurde versucht, Hierarchisierung des Satzes aufzuheben, die Nebenstimmen wurden genauso wichtig genommen wie die Hauptstimme. Dadurch entstand ein dichtes Satzgefüge, das besonders dem Reicha guttat. Etwas einfallsreicher hätten die langweiligen Mittelsätze interpretiert werden können. Eine schlechte Komposition als Herausforderung zur besonderen Interpretation. Herausragend und ohne Einschränkung waren die sechs Bagatellen von Ligeti. Mit diesem Werke schienen sich die hervorragenden Musiker zu identifizieren. Viel Beifall und als Zugabe die Wiederholung des Allegro con spirito von György Ligeti. Andreas Lieber
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